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Pressestimmen von Mittwoch, 1. März 2006

Ute Wagemann28. Februar 2006

Arbeitslosenzahl / Arbeit der Großen Koalition / Einigung bei AEG

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Die Arbeitslosenzahl im Februar ist leicht gestiegen und hat die Marke von fünf Millionen wieder überschritten. Daran messen die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen die bisherige Arbeit der Großen Koalition - 100 Tage nach ihrem Amtsantritt. Weiteres Thema dieser Presseschau ist die Einigung über einen Sozialplan bei dem vor der Schließung stehenden AEG-Werk in Nürnberg.

Zunächst zum Arbeitsmarkt und zur Zwischenbilanz der Koalitionsarbeit.

Der BERLINER KURIER führt aus:

"Eine Zahl stört den Jubel, mit dem SPD und Union die ersten 100 Tage ihrer Zusammenarbeit feiern. Fünf Millionen Arbeitslose verzerren das Bild gewaltig. Auch die ... berufsoptimistischen Blicke in die Zukunft machen die Gegenwart nicht schöner. Es hat sich nichts getan seit dem Wachwechsel. Die großen sozialen Probleme Arbeitslosigkeit, Gesundheit wurden nicht in Angriff genommen. Es gibt nur gefühlte Verbesserungen, keine realen."

Anders argumentiert die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg:

"Für eine Katerstimmung gibt es keinen Grund zumindest nicht, was die Lage am deutschen Jobmarkt anbelangt. Obwohl die psychologisch wichtige Fünf-Millionen-Marke auch im Februar überschritten wurde, gibt es durchaus Signale der Hoffnung. Eines steht fest: Die absolute Arbeitslosenzahl ist nur die halbe Wahrheit. Viel aussagekräftiger ist der saisonbereinigte Wert aus dem die üblichen jahreszeitlichen Einflüsse herausgerechnet werden."

Über das Erfolgsrezept von Kanzlerin Merkel schreibt die Tageszeitung "DIE WELT" in Berlin:

"Kein Aufschrei angesichts der erneut über fünf Millionen Arbeitslosen, kein Protest gegen weitere Steuerbelastungen der Bürger und das Rumdoktern an Symptomen - siehe Rente, Gesundheit und Arbeitsmarkt. Ist es Erschöpfung, daß die Deutschen so zufrieden mit dieser Regierung,insbesondere dieser Kanzlerin sind? Tatsache ist, daß das Reform- und Rucktremolo der letzten Jahre nie so recht deutscher Empfindsamkeit entsprochen hat. Wer die Wahrheit zu oft ausspricht, erweist ihr manchmal eben auch keinen Gefallen."

Auch der TAGESSPIEGEL in Berlin beschäftigt sich mit dem Stimmungsumschwung in der Bevölkerung:

"Es bleibt: ein Paradox. Fast alles, was vorher als falsch beschrieben wurde, wird heute gemacht. Fast alles, was früher Aufregung hervorrief, wie fünf Millionen Arbeitslose, wird heute, nach 100 Tagen, ziemlich gelassen registriert. Und wenn die Kanzlerin mit ihrer Koalition Glück hat, haben sie damit Erfolg."

Die Frage nach der Führungspersönlichkeit Merkel stellt das HANDELSBLATT in Düsseldorf:

"Die Wirtschaft hofft, dass sich die notwendigen Reformen mit der Methode Merkel besser angehen lassen als mit einem großen Ruck. Wird diese Hoffnung allerdings enttäuscht, setzt sich die Nörgelspirale spätestens im Herbst wieder in Gang. Denn die Stunde der Wahrheit kommt nach den Landtagswahlen in diesem Monat. Dann muss Merkel beweisen, ob sie wirklich führen kann und führen will unter den schwierigen Bedingungen einer großen Koalition."


Damit zum nächsten Thema, der Einigung bei AEG.

Die TAGESZEITUNG "TAZ" aus Berlin bewertet das Ergebnis des Streiks:

"Nach fünf Wochen Arbeitskampf nun also doch die Schließung: Mit dem Streik haben es die Beschäftigten aber wenigstens geschafft, dass der Umzug den schwedischen Konzern teuer zu stehen kommt. Streiken lohnt sich wieder. Die Furcht aber, von nun an würden immer mehr Jobs aus dem Hochlohnland Deutschland in Billiglohnländer abwandern, ist unberechtigt. Denn so schlimm der Jobverlust für die Betroffenen auch ist: Die Strategie der internationalen Arbeitsteilung sichert langfristig mehr Jobs und mehr Wertschöpfung in Deutschland, als dabei in Billiglohnländer abfließen."

Auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt in diesem Zusammenhang über den Standort Deutschland:

"... Eine Fertigung von Produkten mittleren Niveaus und Preis ist hierzulande nicht mehr zu halten. Zu stark ist die Konkurrenz aus der Türkei, Korea oder China. In den vergangenen fünf Jahren ist der Durchschnittspreis einer Standardwaschmaschine in Deutschland um ein Drittel gefallen. Der Patriotismus der Bürger endet beim Blick auf das Preisschild."

Die ABENDZEITUNG aus München erläutert das Ergebnis aus Sicht von Beschäftigten, Verhandlungsführer und Vermittler:

"Otto Wiesheu kann zufrieden sein. Dem ehemaligen bayerischen Wirtschaftsminister ist gelungen, womit so schnell keiner gerechnet hatte: Er hat die streitenden Parteien bei AEG zu einem Kompromiss geführt. Auch Hans Stråberg kann zufrieden sein. Er hat sein Ziel erreicht: Das Werk Nürnberg wird geschlossen. Und die AEG- Beschäftigten? Die IG Metall hat für sie rausgeholt, was möglich war. Aber zufrieden mit dem Ergebnis? Nein, zufrieden ist damit sicher kein AEGler."

Auch der EXPRESS aus Köln betrachtet die Situation der Beschäftigten:

"Die Gesichter der AEG-Mitarbeiter sprachen Bände. Ihr Kampf um ihre Arbeitsplätze war vergebens. Die Schließung ihres traditionsreichen AEG-Werks ist beschlossene Sache. Nicht mehr gebraucht und von den schwedischen Managern für billigere Arbeitsplätze in Polen oder Italien ausgemustert zu werden, das ist schon bitter. Immerhin: 90.000 Euro im Schnitt gibt es für jeden als Abfindung. Zweifelsfrei eine schöne Summe. Einen neuen Arbeitsplatz aber kann sich keiner dafür kaufen."

Die SÜDWEST PRESSE fragt, mit welchem Geschick die IG Metall operiert hat:

"Es spricht einiges dafür, dass die Gewerkschaft keine glückliche Hand bei der Bewältigung der Electrolux-Krise hatte. Denn Mitte 2004 bestand die Gelegenheit, den Standort über eine Beschäftigungssicherung zu retten. Doch die IG Metall wollte offenbar keine weitreichenden Zugeständnisse an Arbeitszeit und Entlohnung machen, so dass am Ende doch die Schließung steht."