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Pressestimmen von Mittwoch, 10. März 2004

die Redaktion hatte Stephan Stickelmann. 9. März 2004

SPD-Kompromiss zur Rentenreform / Sparmaßnahmen bei VW / Bestechungsaffäre in München

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Innenpolitische Themen beherrschen die Kommentarspalten der Zeitungen vom Mittwoch. Ins Blickfeld genommen werden vor allem der Kompromiss der SPD-Bundestagsfraktion zur Rentenreform, die einschneidenden Sparmaßnahmen bei VW wie auch die Bestechungsaffäre im Zusammenhang mit dem Stadion-Neubau in München:

Die Einigung der SPD-Abgeordneten im Streit um das Mindestrenten-Niveau kommentiert die TZ in München wie folgt:

"Vor jeder halbwegs wichtigen Abstimmung zu den Sozial-Reformen drohen die sechs, sieben 'üblichen Verdächtigen' von der SPD-Linken mit Nein zu stimmen - - so jetzt auch bei den Mindestrenten. So ehrenwert manchen das 'Njet' bei zentralen Sozial-Einschnitten erscheinen mag: Beim Streit um die Mindestrente ist die Drohgebärde nur albern. Denn die Debatte, wie die Rente im Jahr 2030 aussehen wird, ist ein rein akademisches Zahlenspiel - Prognosen sind da in etwa so zuverlässig wie die Visionen eines Nostradamus."

Das NEUE DEUTSCHLAND meint:

"Der Kompromiss zur Rentenreform, auf den manch linker SPDler noch stolz ist, verdient diesen Namen keineswegs. Die Kritiker in der SPD-Fraktion gaben sich mit einer windelweichen Zusicherung zufrieden, die den jeweils Herrschenden freie Hand lässt. Zu viel Widerstand war auch nicht zu erwarten. Nach dem Rückzug Schröders vom SPD-Vorsitz hätte eine Abstimmungsniederlage von Rot-Grün im Bundestag in einer so zentralen Reformfrage unweigerlich den Rücktritt des Kanzlers nahe gelegt. Wird die Rentenreform im Parlament durch gewunken, schlägt erneut die Stunde der Milchmädchen-Rechner, die aufs Prozentchen genau ausklamüsern, wie die (kommende) ältere Generation geschröpft werden wird."

Und damit Themenwechsel: Angesichts der von Volkswagen-Chef Bernd Pischetsrieder angekündigten Sparmaßnahmen heißt es im HANDELSBLATT:

"Allein ihre Proklamation ist noch keine Erfolgsgarantie. Mehr als vier Milliarden Euro in zwei Jahren zu sparen ist an sich schon ein ambitioniertes Ziel. Dies ohne Werksschließungen und Massenentlassungen zu realisieren scheint fast illusorisch. Immerhin: Erst einmal hat sich der VW-Chef aus der Schusslinie genommen und die Verantwortung auf seine Vorstandsmitglieder delegiert. Gelingt sein Plan, wird ihn die Branche 2005 dafür feiern. Schlägt er fehl, wird sein Nachfolger ab 2006 zu tieferen Einschnitten gezwungen sein."

Der Kommentator der WELT fragt nach den Ursachen für die Schwäche des VW-Konzerns und kommt dann zu dem Schluss:

"Es sind vor allem hausgemachte Probleme, die VW in diese Lage gebracht haben. Der Konzern leidet unter hohen Kosten, und jahrelang waren Luxusmodelle à la Bentley oder Phaeton wichtiger als Golf oder Passat. Dass jene Edelkarossen schneller Kosten als Gewinne produzierten, interessierte offenbar nur am Rande. Und dann kam es bei der Einführung des neuen Golf V zu einer fatalen Fehleinschätzung: Der Hoffnungsträger blieb - trotz technischer Spitzenausstattung - der Konvention verhaftet, wurde aber mit Aufschwungpreisen auf den Markt gebracht. Doch ohne Aufschwung lassen sich solche Preise nicht erzielen. VW zählte stets zu den Profiteuren, wenn es aufwärts ging. Wenn."

Zahlreiche Blätter gehen schließlich auf die Verhaftung des Präsidenten von 1860 München, Karl-Heinz Wildmoser, und seines Sohnes wegen des Verdachts der Bestechung im Zuge des Stadion-Neubaus ein. So bemerkt die in Halle erscheinende MITTELDEUTSCHE ZEITUNG:

"Der Münchner Sport erleidet einen enormen Imageschaden. Alle Kontrollgremien haben versagt, wie in so vielen ähnlichen Fällen. Der FC Bayern, der gemeinsam mit 1860 die 'Allianz-Arena' bauen lässt, muss sich Blauäugigkeit vorwerfen lassen. Gab es kein Indiz auf das unlautere Spiel seines Partners? Auch der deutsche Fußball leidet. Wenn im Jahr 2006 die Weltmeisterschaft im Münchner Stadion beginnt, werden ungute Erinnerungen an die Affäre aufkommen. Und: Die unlauteren Machenschaften um die Leipziger Olympiabewerbung wirken gegen diesen Skandal beinahe wie Kavaliersdelikte."

Und die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG resümiert:

"Korruption in Deutschland ist keine Tat von ein paar Einzelgängern, sondern eine gesellschaftliche Veranstaltung. Der Fall in München ist, auch wenn er wegen des Objekts und der Subjekte der Tat ein besonders spektakulärer Fall ist, letztendlich nur ein weiterer Fall zur Aufhellung eines großen Dunkelfeldes. Es gilt der Satz: Wer suchet, der findet. In Deutschland wird zu wenig gesucht. Der Kölner Müllklüngel-Skandal und jetzt der Münchner Stadion-Skandal sind Ausnahmen, die die Regel bestätigen."