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Pressestimmen von Mittwoch, 14. April 2004

Gerhard M Friese 13. April 2004

Lage im Irak/ Scharons Nahostplan/ Aufbau Ost

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Die sich zuspitzende Lage im Irak und der Plan des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon zur Neuordnung Palästinas sind die wichtigsten Themen der Kommentare deutscher Tageszeitungen.

Zur Lage im Irak schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München:

"Wie in den Jahren Kennedys, Johnsons und Nixons in Vietnam ist auch unter Bush im Irak keine politische Lösung in Sicht, die dem okkupierten Land relativen Frieden in relativer Freiheit bescheren würde. Die Amerikaner, damals in Saigon heute in Bagdad, versuchen, wie es einst hieß, 'die Herzen und Hirne' der befreiten Besetzten zu gewinnen. Dies scheitert, auch weil zwischen Washington und San Francisco die Welt nebst der auf ihr anzustrebenden politischen Ordnung ganz anders wahrgenommen wird als zwischen Mosul und Basra. Es scheint, als sei 'der stille Amerikaner', Gutes wollend und dafür auch Böses tuend, den Graham Greene schon 1955 für Vietnam beschrieben hat, zum Wiedergänger am Euphrat geworden.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU meint:

"Spätestens die sunnitisch-schiitische Parallell-Revolte hat offenbart, dass nicht nur die politischen, sondern auch die operationellen Pläne der Besatzer eher dem Wunschdenken Washingtons entsprachen als der Wirklichkeit in Irak. Es gibt für arabische Länder keine Instant-Demokratie und keine Armee- oder Polizeikräfte aus der Retorte. Schon gar nicht, wenn der Auftrag von der Regierung Bush kommt und sich die Befehle gegen die Landsleute richten... Jeder Großkonzern, der seine Planung mit der Naivität des Pentagon und der Amateurhaftigkeit der US-Zivilverwaltung in Bagdad durchgeführt hätte, wäre längst seiner Führung beraubt und zerschlagen."

Die LÜBECKER NACHRICHTEN warnen die Kriegsgegner vor Rechthaberei:

"Selten haben die Mahner in so kurzer Zeit so recht behalten. Was aber jetzt völlig egal ist. Denn es geht um die Zukunft einer wichtigen Nachbarregion der EU. Wie wichtig eine gemeinsame Außenpolitik wäre, spürt man gerade jetzt wieder - und auch, wie sehr sie schon gefehlt hat, um eine Lage wie die jetzige vielleicht verhindern zu können. Für rasche UN-Hilfe ist die Lage ebenfalls inzwischen zu verfahren. So legt ein Blick auf die lange, blutige Geschichte des Mittleren Ostens die böse Ahnung nahe: Frieden wird es auch im Irak noch lange nicht geben."

Mit dem Plan Ariel Scharons, den Gaza-Streifen ganz zu räumen, dafür aber sechs große Siedlungen im Westtjordanland Israel einzuverleiben, befasst sich die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

"Dass Scharon, der 'Vater' der Siedlungsbewegung, die sechs 'Großsiedlungen' nicht zur Disposition stellen möchte, soll die eigenen Anhänger, vor allem natürlich die Siedler selbst, beruhigen. Für die Palästinenser ist das Festhalten an diesen Gebieten hingegen eine Provokation. Sie sehen in dem ganzen Plan ein Manöver Scharons, die nahöstliche 'roadmap', auf die sich beide Seiten festgelegt hatten, zu umgehen und einen möglichen Friedensprozess zu torpedieren. Der 'Fahrplan' des Nahost-Quartetts lässt den Status der Siedlungen nämlich ausdrücklich offen."

Die in Potsdam erscheinende MÄRKISCHE ALLGEMEINE merkt an:

"Die Bush-Regierung sollte sich genau überlegen, ob sie einen solchen Persilschein unterschreibt. Das wäre nämlich das Ende der Road Map und die Absage an einen Frieden mit den Palästinensern. Dieser ist zwar weiter entfernt denn je, doch ohne einen Rückzug Israels aus einem Großteil seiner Siedlungen wird es ihn niemals geben. Die amerikanische Nahost-Politik war bislang von dem Grundsatz geprägt, dass sich Israel eines Tages auf die Grenzen von 1967 zurückziehen müsse. Es gibt keinen Grund, jetzt davon abzuweichen."

Die Berliner Tageszeitung DIE WELT wagt einen Vergleich zwischen dem Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche und dem Aufbau Ost:

"Wenn in diesen Tagen viel vom gescheiterten Aufbau Ost gesprochen wird, so steht hier an der Elbe das Gegenbild. Wie diese Kirche in zäher, geduldiger und zugleich euphorischer Anstrengung aus einem Berg verwitterter Steine neu emporgewachsen ist, sind ganze Regionen in der alten Mitte Deutschlands aus unseligem Ruinenschlaf erweckt worden. In dieser Leistung steckt ein mitreißender Aufbruchswille, eine Jahrhundertbegeisterung, ein gewiss manchmal auch überschießender, trotziger Optimismus. Dieses Werk darf nicht kleingeredet werden. Es wird Generationen geben, die darauf neidvoll zurückblicken."