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Pressestimmen von Mittwoch, 14. Dezember 2005

Günther Birkenstock.13. Dezember 2005

Hinrichtung in Kalifornien / Ärztestreik verboten

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Die Hinrichtung des mutmaßlichen Mörders Tookie Williams in Kalifornien hat für eine breite Welle der Kritik gesorgt. In den Kommentaren der deutschen Tageszeitungen wird die Todesstrafe als überkommenes wie unmenschliches Bestrafungsmittel gebrandmarkt und das Besondere am Fall Williams untersucht. Außerdem im Blickpunkt der Kommentatoren: der geplante Streik der deutschen Klinikärzte, der durch eine gerichtliche Verfügung gestoppt wurde.

Der BERLINER KURIER betont, dass in den zivilisierten Staaten der Welt Hinrichtungen der Vergangenheit angehören:

"Die USA müssen in dieser Frage in einem Atemzug mit Regimes genannt werden, die in Washington gerne auch mal als Schurkenstaaten bezeichnet werden. Keine angenehme Gesellschaft... Schwarzenegger bediente die Befürworter der Strafe in seinem Land. Aber Williams ist nach 24 Jahren Todeszelle ein anderer Mensch geworden. So betrachtet ist seine Hinrichtung ein eiskalter politischer Mord."

Für die OFFENBACH-POST steht die Hinrichtung im Gegensatz zum politischen Selbstbild der USA:

"Ja, Hinrichtungen sind unmenschlich - genau so wie Mord. Ein Staat aber, der sie als Strafe vorsieht, sich zugleich quasi als Erfinder der Menschenrechte ausgibt und weltweit für das Gute wirbt, bleibt höchstgradig unglaubwürdig. Und abschreckend wirkt die Todesstrafe nun wahrlich nicht, wie man sehr wohl weiß. Sie ist also letztendlich mehr ein grausamer Racheakt als eine gerechte Strafe."

Die Münchener Zeitung TZ stellt die Sinnlosigkeit der Hinrichtung in den Vordergrund:

"Die Geschichte von Tookie Williams ist geradezu ein Lehrstück gegen die Todesstrafe. Der bei seiner Verhaftung 26-Jährige hatte sich in den 25 Jahren, in denen er auf den Tod wartete, grundlegend gewandelt. Die Todesstrafe wird in den USA nur bei einem Prozent aller Morde verhängt - es trifft meist Arme und Schwarze; und in mindestens 450 bewiesenen Fällen Unschuldige."

Die LANDESZEITUNG aus Lüneburg zieht eine Verbindung zwischen der Hinrichtung und der Existenz geheimer CIA-Gefängnisse für Terrorverdächtige:

"Der quälend lange Todeskampf von Stanley Williams und der sich erhärtende Verdacht eines geheimen CIA-Folter-Lager-Systems sind zwei Facetten eines Phänomens: Das US-Imperium entfernt sich von der westlichen Wertegemeinschaft. Wenn in Texas der Arm des Delinquenten vor der Giftspritze noch desinfiziert wird, ist das nur noch die Parodie von Humanität. Tatsächlich stellen sich die USA damit in eine Reihe mit China und Saudi-Arabien, die ihren wackeligen Gesellschaften mit öffentlichen Genickschüssen und Enthauptungen Stabilität einimpfen wollen"

Themenwechsel: Deutschlands Klinikärzte wollten am Dienstag in den Streik treten. Sie fordern bessere Arbeitsbedingungen und mehr Gehalt. Durch eine gerichtliche Verfügung wurde der Streik verhindert. Die Ärztevertretung "Marburger Bund" plant jetzt, den Streik im Januar nach einer juristischen Klärung stattfinden zu lassen. Von deutschen Zeitungskommentatoren wird das Thema "Ärztestreik" in sehr unterschiedlicher Weise analysiert.

Das BADISCHE TAGBLATT aus Baden-Baden bewertet den Streik als verständliche Reaktion der Klinikärzte auf schlechte Bedingungen:

"Ungeachtet des rechtlichen Tauziehens werden sich die kommunalen Träger der Krankenhäuser der Auseinandersetzung über die Bezahlung und vor allem die Arbeitsbedingungen in ihren Einrichtungen nicht entziehen können. Unbezahlte Überstunden zur Sicherstellung des laufenden Betriebs, schlechte Aufstiegschancen und übermüdete Mediziner am OP-Tisch sind keine Basis für eine gute Zukunft des deutschen Klinikwesens. Von daher sind die Forderungen der Ärzte durchaus nachvollziehbar."

Die STUTTGARTER ZEITUNG wirft der Ärztevertretung MARBURGER BUND mangelnden Einsatz vor:

"Die Glaubwürdigkeit des Marburger Bundes hat gelitten. Ärzte lassen sich nicht beliebig zum Protest vor die Tür schicken, sondern fordern von ihrer Gewerkschaft politische Substanz und Rechtssicherheit ein. Die kommunalen Arbeitgeber haben Oberwasser. Jetzt werden sie sich erst recht nicht an den Verhandlungstisch setzen und einen Tarifvertrag speziell für die Krankenhausmediziner aufdrängen lassen, sondern sie werden gelassen auf das neue Tarifwerk im öffentlichen Dienst verweisen. Ursprünglich wollte die Gewerkschaft nach dem für gestern geplanten Warnsignal den Konflikt im Januar verschärfen. Diese Strategie geht nicht mehr auf. Der Marburger Bund muss einen neuen Anlauf nehmen."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG sieht auch dann keine wesentliche Besserung der Zustände in den Krankenhäusern, wenn die Ärzte mit ihren Forderung Erfolg haben sollten:

"Sollte der Marburger Bund eines Tages einige Forderungen durchsetzen können, werden die Assistenzärzte und Oberärzte mehr Geld in der Tasche, aber wahrscheinlich noch weniger Zeit für das Leben außerhalb der Kliniken haben. Die Krankenkassen und die Krankenhausträger werden die gestiegenen Ärztekosten beim übrigen Personal, an der Gebäudeverwaltung und mit dem Herumhantieren an den Fallpauschalen hereinholen wollen. Kein Patient wird bei der Entlassung mehr wissen, ob er optimal versorgt oder ob nur sein Budget ausgeschöpft ist."