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Pressestimmen von Mittwoch, 14. Januar 2004

14. Januar 2004

Umbau der Bundeswehr / Klage wegen Stabilitätspakt

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Zentrales Thema der Kommentare in den deutschen Tageszeitungen ist an diesem Mittwoch der von Verteidigungsminister Peter Struck angekündigte Umbau der Bundeswehr zu einer Armee für internationale Einsätze. Zunächst jedoch zwei Stimmen zum Beschluß der EU-Kommission, wegen der Verstöße Deutschlands und Frankreichs gegen den Stabilitätspakt vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen.

Dazu meint DER TAGESSPIEGEL aus Berlin:

'Europa wehrt sich. Deutschland und Frankreich verstoßen gegen den Stabilitätspakt, wollen aber die dafür vorgesehenen Sanktionen nicht akzeptieren. Da ist es nur konsequent, dass die Kommission klagt. Aber ist es auch klug? ... Nachdem der Machtkampf vor Gericht getragen wird, dürfte die Bereitschaft zu Kompromissen dramatisch gesunken sein. Eine verkorkste Situation: Die Kommission setzt auf alles oder nichts. Wenn das mal gut geht.'

Die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt schreibt:

'Wenn Währungskommissar Pedro Solbes jetzt vor den Europäischen Gerichtshof zieht, dient es der Sache Europas, und schadet ihr nicht. Auch wenn Berlin und Paris dies uns glauben machen wollen. Kriterien müssen für alle gelten. Auch für die Großen.'

Damit zu den Plänen zur Reform der Bundeswehr.

Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle hebt hervor:

'Der Verteidigungsminister Peter Struck sprach einen großen Satz gelassen aus: 'Einsatzgebiet der Bundeswehr ist die ganze Welt.' Auf dieser Erkenntnis basiert die radikalste Reform der Streitkräfte in der Geschichte der Bundesrepublik.'

In den NÜRNBERGER NACHRICHTEN heißt es:

'Im Grunde hat Struck nichts Revolutionäres verkündet. Er hat nur als erster wirklich Konsequenzen gezogen aus der seit dem Fall des Eisernen Vorhangs grundlegend veränderten Bedrohungslage. ... Noch ein Element verdient Beachtung. Struck nimmt Abschied von dem Größenwahn, dass zumindest die Streitkräfte der großen Staaten alle Aufgaben ausfüllen müssen.'

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock notiert:

'Mit milliardenschweren Kürzungen, Standortschließungen oder der Hängepartie in Sachen Wehrpflicht stellt Struck das Vertrauen der Soldatinnen und Soldaten zur politischen Führung auf eine harte Probe. Und der Debatte, welche Bundeswehr Deutschland in Zukunft wirklich braucht, weicht Struck geschäftig aus.'

Die KIELER NACHRICHTEN heben hervor:

'Die große Schwäche des Struck-Konzepts ist die ungeklärte Wehrpflichtfrage. Der Minister beantwortet sie höchstens durch die Hintertür, wenn er die Bundeswehr so reformieren will, dass sie ohne Wehrpflichtige auskommen kann. Er selbst will an der Wehrpflicht festhalten. Dafür gibt es gute Gründe.'

Dies sieht das HANDELSBLATT aus Düsseldorf anders:

'Eine Interventionsarmee, zu der die Bundeswehr gestaltet werden soll, benötigt Qualität, nicht Masse. Und Qualität können Streitkräfte, in denen die Mehrzahl der Soldaten einen - gemessen am gewünschten technischen Standard - nur äußerst kurzen Dienst ableistet, eben kaum garantieren. ... auf Dauer haben die Verteidiger der Wehrpflicht also einen schweren Stand.'

Ähnlich argumentiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München:

'An einem Punkt mutiert der sachorientierte Reformer zudem zum ideologischen Traditionalisten. Struck hält an der Wehrpflicht fest. Da ist ihm ... das Argument seiner Generäle offenbar sympathisch geworden, eine Dienstpflicht junger Menschen sei gut für die Truppe im Besonderen und die Gesellschaft im Allgemeinen. ... Ein Verzicht auf die Wehrpflicht wäre machbar. Struck sollte sich auch da an den neuen Realitäten orientieren.'

Der Kommentator der FRANKFURTER RUNDSCHAU resümiert:

'Das Fazit, militärisch vielleicht frustrierend, friedenspolitisch aber beruhigend: Strucks Maximen territorialer Entgrenzung und etatistischer Einbindung der Truppe widerstreiten einander. Mag die Armee fähiger zum Kampf werden - Deutschland bleibt militärisch eine Mittelmacht, eingebunden in ein Bündnis, auf Sicherung des Friedens angelegt. Die Zwänge des Etats kann auch eine andere Regierung nicht ändern. Und die Bürger haben daheim andere Prioritäten als militärisches Engagement in der ganzen Welt.'

Zusammengestellt von Michael Wehling.