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Pressestimmen von Mittwoch, 14. Juli 2004

14. Juli 2004

EU-Stabilitätspakt/ Cap Anamur/ Daimler-Tarifkonflikt

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Zentrales Thema in den Kommentaren der deutschen Tagespresse ist an diesem Mittwoch das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Die Richter entschieden, dass die Aussetzung von Defizit- Strafverfahren gegen Deutschland und Frankreich nicht rechtens ist. Daneben richtet sich das Augenmerk der Kommentatoren auf das deutsche Rettungsschiff Cap Anamur. Schließlich ist auch der Tarifkonflikt bei Daimler-Chrysler ein Kommentarthema. Zunächst zum Europäischen Gerichtshof.

DIE WELT meint:

'Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Stabilitätspakt ist peinlich für Hans Eichel. Mit erheblichem Einsatz hat der Bundesfinanzminister gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Francis Mer dafür gesorgt, dass das Defizitverfahren gegen die beiden größten Volkswirtschaften der Euro-Zone ausgesetzt wurde. Diese Intervention erweist sich mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nun als Pyrrhussieg. Für die Anhänger einer strengen Auslegung des Paktes besteht dennoch wenig Grund zum Jubeln. Denn der Pakt, der unter politischer Dauerkritik steht, ist damit noch nicht gerettet, sondern von den Richtern lediglich ins Sauerstoffzelt befördert worden.'

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG formuliert noch schärfer, wenn es im Kommentar heißt:

'Eine Politisierung stellte schon die Entscheidung des Ministerrates vom November dar. Sie wurde vom Gerichtshof nicht in Frage gestellt. Alles spricht deshalb dafür, dass die Luxemburger Entscheidung als Fußnote in die Geschichte des zerfallenden Stabilitäts- und Wachstumspaktes eingehen wird.'

Ganz anders dagegen die Position, die die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vertritt. Dort heißt es:

'Dieses Urteil ist ein Meilenstein für Europa. Die Richter definieren, wie die tragenden Kräfte der EU miteinander umzugehen haben. Richtschnur ist das Recht - jene Regeln, die die Mitgliedstaaten selbst beschlossen haben. Sie gelten auch, wenn sie den Regierungen gerade lästig sind.

Themawechsel und zum deutschen Rettungsschiff Cap Anamur, dessen Crew von den italienischen Behörden festgenommen wurde. Der GENERAL-ANZEIGER aus Bonn meint dazu:

'Hilfe ist gerade vor dem Hintergrund des komplizierten europäischen Flüchtlingsrechtes nicht gleich Hilfe. Cap-Anamur-Chef Bierdel bekommt dieses Paradoxon gerade am eigenen Leib zu spüren. Ein deutsches Schiff ist nicht deutsches Hoheitsgebiet. Deutschland hat es in der Folge abgelehnt, den Flüchtlingen Asyl zu gewähren. Dafür bedankt sich nun Italien bei den Bootsflüchtlingen auf seine Weise. Das Gezerre ist unwürdig. Und es beweist: Am Ende Europas liegt nicht das Kap der guten Hoffnung.'

Die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld sieht in den Schlagzeilen um Cap Anamur einen positiven Effekt:

'Weil sich die Festung Europa nicht auf ein gemeinsames Asylrecht und Aufnahmequoten einigte, gilt die Maßgabe, dass das Land, in das Flüchtlinge zuerst ihren Fuß setzten, für sie zuständig ist. Nur darum geht in Deutschland seit Jahren die Zahl der Asylanträge zurück. Gut, dass die Cap Anamur auf dieses Problem aufmerksam machte. Die Union braucht ein solidarisches Verfahren für Asylsuchende und Flüchtlinge. Ein gemeinsamer europäischer Asylantrag und eine Lastenteilung zwischen den 25 EU-Staaten ist das Signal aus Sizilien.'

Abschließend die STUTTGARTER ZEITUNG, die sich in ihrem Kommentar mit dem Tarifkonflikt bei Daimler-Chrysler auseinandersetzt. Der Vorstand des Autobauers droht, Arbeitsplätze von Sindelfingen nach Bremen und Südafrika zu verlagern. Dazu heißt es im Kommentar:

'Jahrzehntelang hat das Unternehmen gut mit den Tarifverträgen in Baden-Württemberg leben können, die im Übrigen stets unter maßgeblicher Beteiligung von Daimler-Chrysler auf beiden Seiten zustande gekommen sind. Und nun spricht Mercedes-Chef Jürgen Hubbert von einer baden-württembergischen Krankheit, so als habe das ganze Land die Seuche befallen. Das wird der Lage und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Südwestens einfach nicht gerecht.'

Zusammengestellt von Hans Ziegler