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Pressestimmen von Mittwoch, 15. März 2006

14. März 2006

Wehrbeauftragter / EU-Defizitverfahren

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Der Jahresbericht des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe, beschäftigt zahlreiche Zeitungskommentatoren. Ein weiteres Thema ist die Verschärfung des Defizitverfahrens gegen Deutschland im Rahmen des EU-Stabilitätspaktes.

Zum Bericht des Wehrbeauftragten heißt es in der LANDSHUTER ZEITUNG/STRAUBINGER TAGBLATT:

"Die Missstände, die der neue Wehrbeauftragte Robbe lautstark in seiner Eingenschaft als Anwalt der Soldaten beklagt, hat der Verteidigungspolitiker Robbe als längjähriger Vorsitzender des Verteidigungsausschusses mit verursacht. Sein Lamento mag deshalb so recht nicht überzeugen: Er hätte nur die Berichte seiner Vorgänger Willfried Penner oder Claire Marienfeld ernst nehmen und rechtzeitig gegensteuern müssen. So droht ihm das gleiche Schicksal: So lange die Bundeswehr funktioniert und die Soldaten tapfer allen Widrigkeiten trotzen, verhallen die Klagen des Wehrbeauftragten wie Schall und Rauch."

Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz meint:

"Die Bundeswehr sei stets ein authentisches Spiegelbild der Gesellschaft, heißt es vor allem dann, wenn in der Truppe mal wieder etwas herzhaft schief gegangen ist, wie Gewalttätigkeit, Rechtsextremismus, Mobbing, Diskriminierung. Und es stimmt letztlich auch, denn die Streitkräfte sind als Wehrpflichtarmee automatisch von allen Erscheinungen heimgesucht, guten und weniger guten, wie es sie so auch im zivilen Leben gibt. Reinhold Robbe, von Hause aus Wehrdienstverweigerer und heute Wehrbeauftragter des Bundestags, beklagt die Verknappung der verfügbaren Mittel und schließlich sogar eine permanente Unterfinanzierung der Bundeswehr', dies bei konstant steigenden Leistungsanforderungen."

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam schreibt:

"Ein wenig seltsam ist es schon, wenn ausgerechnet der altgediente Verteidigungspolitiker Reinhold Robbe nun, als Wehrbeauftragter des Parlaments, die Kluft zwischen Worten und Taten in der Politik moniert. Aber Robbe hat Recht. Die ritualisierten Lobreden über die Parlamentsarmee Bundeswehr müssen bei den 'Bürgern in Uniform' wie Spott ankommen, wenn die Politik nicht in der Lage ist, vernünftige Rahmenbedingungen zu organisieren. Es geht beispielsweise nicht an, dass die medizinische Versorgung in den Heimatstandorten zu kurz kommt, weil zu viele Bundeswehrärzte im Auslandseinsatz sind."

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU sieht es so:

"Es gibt reichlich Frust in der Truppe über finanzielle Einschnitte. Und längst nicht jeder, der sich darüber ärgert, schreibt gleich an den Wehrbeauftragten, weswegen die Zahl der Beschwerden in diesem Bereich längst nichts über die Stimmung in der Truppe insgesamt aussagt. Betroffen von den Sparmaßnahmen waren vor allem Zeit- und Berufssoldaten, die das Rückgrat der Auslandseinsätze bilden. Sie haben diese Belastungen, wie auch die Probleme, die sich aus dem Umbau der Truppe ergeben stets loyal mitgetragen. Und natürlich wissen die Soldaten, dass die öffentlichen Kassen keine großen Sprünge mehr zulassen. Doch jetzt fühlen sich viele offensichtlich von der Politik etwas im Stich gelassen."

Themenwechsel. Zum EU-Defizitverfahren gegen Deutschland heißt es in der in Berlin erscheinenden WELT:

"Im Umgang mit dem EU-Stabilitäts- und Wachstumspakt bleibt sich Deutschland treu: Decken sich die Regeln mit den Finanzplänen Berlins, ist es gut. Wenn nicht, werden sie passend gemacht. (...) Im Ergebnis läuft beides auf dasselbe hinaus: Das Ansehen des Paktes und derer, die über seine Einhaltung wachen sollen, nimmt Schaden. Da darf sich niemand wundern, wenn das Mißtrauen gegen Europa weiter zunimmt. Und noch ist nicht ausgemacht, ob Deutschland den Pakt ab 2007 tatsächlich wieder erfüllt."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE kommentiert:

"Geräuschlos haben die EU-Finanzminister die Verschärfung des Defizitverfahrens gegen Deutschland vollzogen - der Unterschied zum November 2003 könnte nicht größer sein. Damals hatte der laute deutsch-französische Widerstand gegen den im Kern identischen Vorschlag der Europäischen Kommission den Stabilitätspakt in eine schwere Krise gestürzt. Heute herrscht eitel Sonnenschein, der Bundesfinanzminister beugt sich der verschärften Brüsseler Haushaltskontrolle und preist Deutschland gar als 'Vorbild' für andere Länder."

Im KÖLNER STADT-ANZEIGER lesen wir:

"Wer jetzt noch an der nationalen Schuldenschraube drehen will, der muss nicht nur mit dem energischen Nein des Bundesfinanzministers rechnen. Zugleich riefen Peer Steinbrücks Gegenspieler auf dem finanzpolitischen Parkett den EU-Währungshüter Joaquin Almunia auf den Plan. Indem sich Steinbrück in wachsende Abhängigkeit von Brüssel begibt, steigert er sein Gewicht auf der nationalen Ebene. Nur die Doppelstrategie aus Einnahme-Verbesserungen und Ausgabe-Dämpfungen verspricht letztlich Erfolg - will sagen: ein Staatsdefizit 2007 unter drei Prozent. Das zwingt das Land auf einen opferreichen Weg. Aber vom Schulden-Trend dieser Jahre hängt ab, wie groß die Chancen der Enkel-Generation tatsächlich einmal sein werden."

Die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera stellt fest:

"Die Rücksichtnahme ist ein Vertrauensvorschuss für die große Koalition und ein Tribut an das zarte Pflänzchen Aufschwung in Deutschland. Zudem scheut die Behörde einen neuerlichen Interpretationskampf um die Pakt-Paragrafen. Der Zeitgewinn löst nicht die deutsche Haushaltsmisere. Steinbrück wird das Etatloch 2007 vor allem dank der anstehenden Mehrwertsteuer-Erhöhung verkleinern können. Gefragt wären aber durchgreifende Strukturreformen, die das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben im größten EU-Mitgliedsstaat dauerhaft ins Lot brächten. So ruht das Thema Stabilitätspakt wohl nur im Fach 'Wiedervorlage'."