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Pressestimmen von Mittwoch, 16. April 2003

ausgewählt von Siegfried Scheithauer.15. April 2003

Richtungskampf in der SPD/ Perspektiven des Irak/

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Bei den deutschen Sozialdemokraten schlagen die Wellen hoch - die Kommentatoren der Tagespresse reiben sich genüsslich die Hände. Im Streit um den Reformkurs des Kanzlers blieben die Abweichler von der SPD-Linken trotz eindringlicher Warnungen vor dem Verlust der

Regierungsfähigkeit zunächst hart.

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE analysiert:

"Seit der Bundeskanzler selbst die 'Regierungsfähigkeit der SPD' zur Debatte gestellt hat, weiß jeder, was die Stunde geschlagen hat: Es geht ums Ganze - nicht nur um Schröder, sondern auch um die Richtung der SPD. So wie sie bisher das Soziale buchstabiert, wird immer nur Umverteilung daraus. Zu verteilen gibt es aber immer weniger. (...) Helmut Schmidt ist es nicht gelungen, die SPD von Notwendigkeiten zu überzeugen, mit denen eine Regierung in Zeiten der Rezession konfrontiert ist. Ebenso, wie e r es war, ist Schröder in der misslichen Lage, einen Richtungskampf, der schadlos nur in Oppositionszeiten ausgefochten werden kann, als Regierungschef zu führen," schreibt die FAZ.

Ähnlich sieht es die STUTTGARTER ZEITUNG:

"Gemessen an den zuvor geschürten Erwartungen und der dramatischen Lage der Wirtschaft und der Sozialsysteme, ist Schröders Sammelwerk von Reformschritten nicht das große Wendemanöver. Gemessen an der Gemütslage seiner Partei, hat er Mut bewiesen. Denn die Sozial- demokraten waren unzureichend vorbereitet auf das, was ihnen ihr Vorsitzender verkündet hat. Eine Debatte über sozialdemokratische Grundsätze in Zeiten der Globalisierung, des schrumpfenden Wachstums, einer alternden Bevölkerung, überforderter Sozialsysteme und überschuldeter Haushalte hat Schröder in seiner Partei nie ernsthaft angezettelt."

Die BERLINER ZEITUNG beleuchtet das Seelenleben der Genossen und meint:

"Kein Wunder, dass die Partei verstört ist. Warum sollte sie Regelungen, die bis 1998 für Sozialdemokraten Tabu waren, nun plötzlich als stilbildend für sozialdemokratische Politik empfinden? So viel geistige Wendigkeit, man könnte auch sagen Dummheit, bringen die Genossen offensichtlich nicht auf, dass sie den Abbau des Kündigungsschutzes, die Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes und die Absenkung von Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfe für ein Herzensanliegen der Sozialdemokratie halten könnten."

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG knöpft sich die Widersacher des Kanzlers vor:

"Die linken Wortführer, die mit Mitgliederbegehren, Straßenprotesten und Vermögenssteuer drohen, haben kein Konzept, keinen Kopf und schon gar keine Mehrheit. Bei der SPD heißen die Ströbeles und Hermanns eben Schreiner und Wiesehügel. Sie zu ignorieren, wäre ein Fehler, sie zu wichtig zu nehmen, ein noch viel größerer. Mehr Wettbewerb, Kostensenkung und Lösen der Mobilitätsbremse sind die Rezepte, wie sie die Wirtschaftsinstitute einfordern. Zu lange ist dieser Weg von der Politik verweigert worden. Jetzt zeichnet sich die Wende ab. Da wäre es der größte Witz der Politik, würde sich die SPD wieder zurückziehen in die linke Sozialamts-Kuschelecke."

Einige Meinungsmacher mischen weiter mit in der Debatte um die Perspektiven des Irak nach dem Krieg. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG mahnt:

"Könnte jedes autoritäre Regime bekämpft werden, würde die Welt in Kreuzzügen für die Demokratie ausbluten. Eine Invasion darf daher nur bei unerträglicher Gefährlichkeit eines Diktators als letztes Mittel erfolgen. Massenvernichtungswaffen können diese Gefahr begründen. Die Staatenwelt wird sich damit stärker als bisher auseinandersetzen müssen. Das heißt aber nicht, dass sie die aggressive Befreiungs- Ideologie der Bush-Regierung in Völkerrecht übertragen soll. Der Irak-Krieg war ein Sündenfall - und bleibt es auch nach dem Sieg."

Der TAGESSPIEGEL aus Berlin bemüht historische Vergleiche:

"Mit der Unterschrift unter die EU-Verträge zehn osteuropäischer Staaten kommt die Revolution von 1989 an ihr Ziel. 14 Jahre nach dem weltweit bejubelten Sturz der kommunistischen Diktaturen besiegelt Europa seine neue stabile Ordnung. (...) Bagdad: Saddams Diktatur ist gestürzt, aber nur wenige können sich darüber so unbändig freuen; und darin eine ähnliche Chance für die arabische Welt und einen friedlichen Nahen Osten erkennen, wie sie Europa 1989 geschenkt wurde. Dass daraus ein Aufbruch wird für das Land und die Region, ist unsicher. Und erst recht, ob er zu einer besseren Ordnung führt oder im Chaos endet."