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Pressestimmen von Mittwoch, 19. Juli 2006

Thomas Grimmer 18. Juli 2006

Friedenstruppe in Nahost?

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Angesichts des kriegerischen Konflikts im Nahen Osten will UN-Generalsekretär Kofi Annan die Mission der Vereinten Nationen im Libanon deutlich aufstocken. Nach Annans Vorstellungen sollen sich daran auch Truppen der EU-Mitgliedsstaaten beteiligen. Die Kommentatoren der deutschen Tagespresse stehen dem Vorschlag mit gemischten Gefühlen gegenüber.

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt:

"Die Entsendung einer UN-Truppe in den Südlibanon bleibt eine Illusion, solange sich die Hisbollah dort nicht geschlagen gibt, sondern jede Rakete, die in Haifa einschlägt, als Sieg feiert, oder solange Israel nicht sein militärisches Ziel erreicht hat - das sind die beiden Seiten ein und derselben Medaille. Bis diese Frage geklärt ist, existiert allerdings auch das Risiko einer Eskalation. Einen Raketenangriff auf Tel Aviv würde Israel vermutlich mit einem Schlag gegen die Mächte beantworten, die hinter den Radikalen und Terroristen in Gaza und im Libanon stehen. Da wäre das nächste Ziel Damaskus."

In der THÜRINGER ALLGEMEINEN aus Erfurt heißt es:

"Die Entscheidung könnte eine folgenschwere sein. Im Fall, dass eine europäische Friedenstruppe tatsächlich zwischen Libanon und Israel für Ruhe sorgt, käme man für die weiteren Konflikte in Zugzwang. Die Fatah im Gaza-Streifen äußerte zum Beispiel schon Interesse. Entsprechend zurückhaltend nahm man in der EU die Sondierung der Uno nach Blauhelmen auf."

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER sieht Europa in der Pflicht:

"Eine internationale Stabilisierungstruppe (...) wäre auf unabsehbare Zeit gefordert. In einem Umfeld, das kaum noch willens ist, zwischen den verhassten Amerikanern und den 'guten' Europäern zu unterscheiden. Doch andere als die Europäer kämen schlechterdings nicht in Frage. Weder Afrikaner, Araber, Asiaten, Latinos noch gar die schwankende Weltmacht USA könnten diese Aufgabe übernehmen. Angesichts der politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen Europas mit dem Nahen Osten wäre es ohnehin schieres Eigeninteresse, das die EU mit einer Beteiligung an einer Schutztruppe verfolgte."

Das OFFENBURGER TAGEBLATT ist skeptisch:

"Der Vorschlag, mit UN-Friedenstruppen den Libanon zu befrieden, ist eine Möglichkeit, den großen Krieg zu verhindern, greift aber insgesamt zu kurz. (...) Im Libanon gibt es schon seit 28 Jahren eine 2.000 Mann starke Blauhelm-Truppe. Jetzt ein paar Tausend Soldaten mehr in die Krisenregion zu schicken, bringt keinen Frieden. Im Gegenteil: Eine ähnliche Situation wie im Irak könnte entstehen. Dort gelingt es den bis an die Zähne bewaffneten US-Truppen nicht, die Terroristen in Schach zu halten."

In der FRANKFURTER RUNDSCHAU ist zu lesen:

"Die Stationierung einer internationalen Truppe im Südlibanon ist (...) unter den denkbaren Alternativen der wohl einzig realistische Plan, die Grenze zu Israel sicherer zu machen. (...) Wer konsequent militanten Islamisten den Boden entziehen will, sollte Weiteres tun: vor allem die moderaten Kräfte stärken. (...) Dafür hat sich die Regierung Bush wenig engagiert. Und doch zentriert sich alle Hoffnung auf die Ende der Woche im Nahen Osten erwartete US-Außenministerin. Frühestens dann, im Beisein von Condoleezza Rice, wird Israel in einen Waffenstillstand einwilligen. Eine Rechnung, in die die Hisbollah noch nicht einbezogen ist."

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND bemerkt:

"Die Idee, eine Uno-Truppe in das israelisch-libanesische Konfliktgebiet zu entsenden, offenbart vor allem eines: die Hilflosigkeit der Weltgemeinschaft, die sich mangels diplomatischer Hebel in puren Aktionismus flüchtet. Und wohl insgeheim darauf hofft, dass es bei einem bloßen Lippenbekenntnis bleibt."

Nach Ansicht der in Mainz erscheinenden ALLGEMEINEN ZEITUNG müssten Friedenstruppen vor allem für den Schutz Israels sorgen:

"Die weit reichenden Raketen der Hisbollah können jedes Ziel bis hinab nach Tel Aviv treffen. (...) Momentan fehlt (...) auf Seiten der Hisbollah, vor allem aber auch bei deren iranischen Hintermännern, jede Bereitschaft zum Ausgleich. Mehr noch verkündet der Teheraner Parlamentspräsident jetzt den Auftakt einer endgültigen Vernichtung des Judenstaats. Wenn das so ist, bedarf Israel des konkreten Beistands und die Region einer Friedensstreitmacht, die stark genug ist, die Raketen der Hisbollah am Boden zu halten. Sonst droht dort binnen kurzem ein Konflikt, der nicht nur den Nahen Osten berührt."

Abschließend noch ein Blick in die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera:

"Es bleiben Zweifel, ob ein bloßes Aufstocken der Blauhelme zur Befriedung führen kann (...)Solange Uno, Europäische Union und G 8 es aus verschiedenen politischen und ökonomischen Interessen heraus vermeiden, den Drahtziehern diplomatische Grenzen zu setzen, solange wird das Töten weitergehen. Iran hat es verstanden, erst einmal vom Atom-Konflikt abzulenken. Andererseits macht genau diese blutige Krise deutlich, welch gefährliches Pulverfass mit einer Atom-Macht Iran heranreift."