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Pressestimmen von Mittwoch, 19.Dezember 2001

Bernhard Schatz19. Dezember 2001

630-Mark-Jobs / Neuer Militärtransporter / FlowTex-Urteil

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Die Kommentatoren deutscher Tageszeitungen befassen sich im Mittwoch unter anderem mit dem Vorstoss einiger Politiker, die sozialversicherungsfreie Obergrenze der sogenananten Billig-Jobs auf mindestens 1.200 Mark anzuheben. Weitere Themen sind der von Verteidigungsminister Scharping unterzeichnete Kauf-Vertrag für 73 Airbusse sowie das Urteil im FlowTex-Prozess.

Zu den 630-Mark-Jobs schreibt der Bonner GENERAL-ANZEIGER:

"Nur einer denkt nicht in diese Richtung, der aber ist zuständig: Bundesarbeitsminister Walter Riester. Er möchte vor der Wahl nichts mehr ändern und im Jahre 2003 die Erfahrungen auswerten. Wenn das mal nicht zu spät ist. Denn sicher ist eins: Die Bundesregierung wird sich im Wahljahr bohrenden Fragen nach ihren Aktivitäten zur Besserung auf dem Arbeitsmarkt stellen müssen. Mit der schon sprichwörtlichen ruhigen Hand des Bundeskanzlers wird es nicht getan sein. Schröder weiß, dass er den Trend nicht mehr wird umkehren können. Aber ein paar kleine Signale könnten nicht schaden. Das von Wirtschaftsminister Werner Müller wäre so eines."

Der Kölner EXPRESS kommentiert:

"Die Reform der Billigjobs. Sie war der erste große Flop der Regierung Schröder. Allen Bedenken und Protesten zum Trotz wurde dieses unsinnige Gesetz durchgepaukt. Dank der Sturheit des Regelungsfanatikers Riester verloren ganze Branchen über Nacht Zehntausende von bewährten Arbeitskräften. Gut, dass jetzt endlich wieder Bewegung in die Debatte um die Billigjobs kommt. Das Bürokratie-Monster aus dem Arbeitsministerium war und ist ein Jobkiller und eine staatlich sanktionierte Lizenz zur Schwarzarbeit. Es gibt genug Menschen, die gerne wieder einen Billigjob hätten - allerdings nicht unter Riesters Bedingungen."

Die DRESDNER NEUESTE NACHRICHTEN analysieren:

"Bis 2003 ist das geltende Gesetz in der Bewährung. Eine anschließende Revision ist sowieso vorgesehen. Weshalb also jetzt die Hektik? Klarer Fall: Die Wahlen rücken näher, die Parteien starten Profilprogramme. Doch die Erfahrung zeigt, daraus resultierendes Regierungshandeln ist selten gut. Während Arbeitsminister Riester munter mit Kombilohn-Modellen jongliert und die Grünen die 'Teilzeit- Mauer' beklagen, steigen die Arbeitslosenzahlen. Aber nicht wegen der gültigen 630-Mark-Regelung, sondern weil die Weltkonjunktur zu mies und Rot-Grün zu reformfaul geworden ist. Mit einem Kostenaufwand von 19 Milliarden Mark ließe sich die Versicherungsfreiheit für Jobs bis 1.500 Mark umsetzen. Das Ergebnis wären rund 140.000 zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse. Viel Wind um fast Nichts."

Die Bundeswehr hat 73 Militärtransporter vom Typ Airbus A400M bestellt - zum Totelpreis von 17 Milliarden Mark. Im Etat sind aber nur rund zehn Milliarden vorgesehen.

Dazu die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

"Doch wenn schon die Regierungsfraktionen ihrer Rolle als Kontrolleure der Exekutive nicht mehr nachkommen wollen, so muss sich zumindest die Opposition einen Rest an parlamentarischer Selbstachtung erhalten. Sie kann es nicht durchgehen lassen, dass der Bundesverteidigungsminister einen Vertrag ohne Rechtsgrundlage unterschreibt. Eine solche ist der so genannte Parlamentsvorbehalt nicht. Es fehlen mindestens drei Milliarden Euro, die umgehend in einem Nachtragshaushalt ausgewiesen werden müssten. Die Koalition scheut diesen Schritt, weil sie damit ihren Finanzminister im Wahljahr zum Offenbarungseid zwänge. Dieser Vorgang muss in Karlsruhe geprüft werden, denn wo das Königsrecht des Parlaments untergepflügt wird, bleibt vom Parlamentarismus nicht viel übrig."

Zum Schluss dieser Presseschau kommentiert der Reutlinger GENERAL-ANZEIGER das Urteil im sogenanten FlowTex-Prozess, dem grössten Betrugsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte:

"Endstation Gefängnis heißt es für den ehemaligen baden- württembergischen Vorzeigeunternehmer Manfred Schmider: Die Mannheimer Richter haben im Flowtex-Prozess ein angemessenes Urteil gesprochen, doch viele Fragen bleiben auch nach dem unrühmlichen Abgang Schmiders offen. Der erste Akt des Dramas brachte keine Antwort auf die Frage, ob Finanzbehörden Mitschuld an dem Milliarden- Betrug trifft. Der Richter vermied es, das heikle Thema zu vertiefen

mit dem Hinweis, falls sich der Verdacht erhärte, werde ein anderes Gericht zu entscheiden haben. Im nächsten Akt des Dramas muss es deshalb um die Frage gehen, wer oder was den größten Wirtschaftsbetrugsfall in der deutschen Nachkriegsgeschichte überhaupt ermöglicht hat."