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Pressestimmen von Mittwoch, 20. August 2003

zusammengestellt von Christina Pannhausen19. August 2003

Aus für Schill / Kosten der Rettung der Sahara-Geiseln

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Zentrales Thema der Kommentatoren der deutschen Tagespresse ist an diesem Mittwoch die Entlassung des Hamburger Innensenators Ronald Schill. Weiterhin Beachtung findet zudem die Freilassung der Sahara-Geiseln und die damit verbundene Diskussion um die Übernahmne der Kosten der Befreiung.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG meint zur Entlassung Ronald Schills:

"Problematisch wird es dann, wenn Bürgermeister von Beust einen Lebensgefährten hat, der zugleich Senator ist. Dann muss er prüfen, ob er sein Amt noch unabhängig führen kann oder ob er sich leichtfertig dem Verdacht aussetzt, erpressbar zu sein. Davon wird nun Ole von Beusts politisches Überleben abhängen. Die politische Karriere des Saubermannes Schill hingegen ist nach nur zwei Jahren definitiv zu Ende. Die Schill-Partei, die - geradezu grotesk - als Partei Rechtsstaatlicher Offensive firmiert, wird eine Episode bleiben wie so viele Gruppierungen vorher, die Wahlen gewannen, weil sie vollmundig versprachen, Ausländer zu vertreiben, die Kriminalität einzudämmen, die Bürokratie zu zähmen und den Polit-Filz auszumerzen."

Auch die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder sieht die Tage der Schill-Partei gezählt:

"Was kann nun eine Schill-Partei ohne Ronald Schill noch wert sein, wenn sie das Desaster an der Elbe überhaupt überlebt? Niemand kennt ihren neuen Bundeschef, den farblosen Senator Mettbach. Wieder einmal scheint eine deutsche Parteineugründung, mit nur einem Thema und einer Person groß geworden, an den Mühen des Parlaments- und
diesmal sogar Regierungsalltags zu scheitern. Die lange Zeit unbedeutende Hamburger CDU aber bräuchte Neuwahlen kaum zu fürchten. Die Schill-Partei taumelt, FDP und Grüne sind an der Elbe ohne Reiz und die SPD dümpelt im Umfragetief. Der Gewinner steht fest."

Der GENERAL-ANZEIGER aus Bonn analysiert:

"Bei nur durchschnittlicher taktischer Fähigkeit wird es aber der Union schnell gelingen, das Thema Innere Sicherheit für sich zu besetzen. Die Partei Rechtsstaatlicher Offensive steckt zu tief in einer existenziellen Krise. An Neuwahlen wiederum können die Sozialdemokraten angesichts der bundespolitischen Negativ-Stimmung kein besonderes Interesse haben. In Hamburg hat es ein politisches Erdbeben gegeben. Nur ändern wird sich wenig."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU meint:

«Ronald Schill mag sich nun abwenden von dem politischen Geschäft, das er als 'schmutziges' erkannt und dessen Verunreinigung er kräftig befördert hat. Zum Schluss ist der Populist selbst zum Opfer seines beschränkten Weltbilds geworden: Der laut geäußerte Homo-Verdacht reicht heute nicht mehr zur Erpressung von Amtsträgern, Klaus
Wowereit hat da vielleicht mehr zur politischen Kultur beigetragen, als ihm selbst bewusst war. Ole von Beust gebührt Achtung für den Mut und die Konsequenz, den Provokateur vor die Tür zu setzen, dessen Partei er für die Senatsmehrheit braucht. Vollends als würdiger Repräsentant der Freien und Hansestadt würde sich der Christdemokrat mit dem zweiten Schritt erweisen: der Ausrufung von Neuwahlen."

Die SAARBRÜCKER ZEITUNG schreibt zu der Diskussion um die Kosten der Geiselrettung:

"Gerade wird in der Diskussion um die Gesundheitskosten die drängende Frage gestellt, ob nicht Risiko-Sportarten durch eine private Risiko-Versicherung in Teilen selbst abgesichert werden müssten. Wenn heute einer in die entferntesten Winkel der Sahara fährt, ob mit dem Geländewagen oder mit einem Enduro-Motorrad, weiß auch er um das erhöhte Risiko. Die Kosten für ein aufwändiges sechsmonatiges Krisenmanagement und die Rettung der Sahara-Geiseln sind hoch. So stellt sich in aller Härte die Frage nach Regress. Psychologisch hätte dies einen weiteren Vorteil: Andere, die sich noch nicht klargemacht haben, was Abenteuer-Reisen auch bringen können, überdenken vielleicht noch mal ihre tollkühnen Pläne."

Der MANNHEIMER MORGEN hält dagegen:

"Staatliche Rückforderungen fallen nicht stattlich aus. Wer sich über einen solchen Tropfen auf den heißen Stein aufregt, weil Ex-Geiseln zudem ihre Geschichte gerne versilbern, sollte bedenken, welche Einbußen dem in der Regel gegenüberstehen: seelischer Knacks nach monatelanger Todesangst, körperliche Schäden, Einkommensverluste, schier endlose Therapien. Das Überleben von Ex-Geiseln ist zwar gesichert, doch ihr weiteres Leben gerät zum Fragezeichen. Der ausgestanden geglaubte Albtraum geht noch lange weiter, Tag für Tag. Dass so etwas neben vielen Nerven auch Geld kostet, lässt sich leicht ausmalen."