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Pressestimmen von Mittwoch, 21. Februar 2007

Christoph Schmidt20. Februar 2007

Tauziehen um Airbus-Sanierung

https://p.dw.com/p/9tfv
In der Krise des europäischen Airbus-Konzerns sind deutsche und französische Partner zu Kontrahenten geworden. Beide Seiten wollen die Lasten der geplanten Sanierung für die Standorte im eigenen Land möglichst gering halten. Mehr denn je gehen Politik und Betriebswirtschaft bei dem Flugzeugbauer eine fragwürdige Verbindung ein. Die Tagespresse widmet sich dem Thema ausführlich.

Die PFORZHEIMER ZEITUNG schreibt:

"Es funktioniert nicht, wenn in einem Konzern Staaten mitmischen, die nationalen Proporz über Effizienz und Produktivität stellen. So gesehen war es nur eine Frage der Zeit, bis Airbus nicht mehr anders kann, als sich mit einem radikalen Sparprogramm zu sanieren. Will die Konzernleitung verhindern, dass sie im Wettbewerb mit Boeing weiter abgehängt wird, muss sie sich so schnell wie möglich zu ihrem Sanierungsprogramm durchringen."

Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN kommentieren:

"Betriebliche Logik steht bei Airbus seit jeher immer erst an zweiter Stelle. Inzwischen wächst sich die immer unverhülltere politische Einflussnahme zu einer ernsten Gefahr aus. Seit das Unternehmen am Scheideweg steht, werden die Grenzen des fein austarierten deutsch-französischen Gleichgewichts an der EADS-Spitze überdeutlich. Beide Seiten blockieren sich. Nie war das Misstrauen auf beiden Seiten des Rheins größer als heute."

Der MANNHEIMER MORGEN befasst sich mit den betrieblichen Ursachen der Airbus-Krise:

"Zu hohe Kosten, eine zu aufwändige industrielle Fertigung, eine Zersplitterung der Kräfte auf zu viele Standorte. Ein Kraftakt ist nötig, um Airbus auf kräftige Beine zu stellen, mit spezialisierten Standorten, weniger Personal, mit ausgewählten, wenigen Zulieferern, die sich auch finanziell weit mehr als bislang schon im Vorfeld engagieren. An dieser Pille führt auf Dauer kein Weg vorbei, wenn Airbus eines Tages wieder zu Boeing aufschließen will."

Und die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG analysiert:

"In Zukunft entscheiden weniger Subventionen als technische Kompetenz über die Zukunft von Produktionsstandorten und Arbeitsplätzen. Das ist der Kern des deutsch-französischen Streits. Der Ko-EADS-Chef Gallois, der aus dem französischen Verwaltungsmanagement kommt, hat versucht, die Partner auf seine Linie zu zwingen. Doch der deutsche Ko-Chef Enders hat gegengehalten. Enders hat recht: Nicht nur die Lasten der Sanierung, sondern auch die Chancen für die Zukunft müssen gerecht verteilt werden."

Die BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG urteilt:

"Das Gezerre um die Zukunft von Airbus ist schlicht peinlich, ja unwürdig. Hilflos müssen die verunsicherten Mitarbeiter zusehen, wie die politische Elite Deutschlands und Frankreichs um das Unternehmen feilscht. Tausende von Arbeitsplätzen stehen auf dem Spiel. Ein Sanierungskonzept soll verkündet werden, der Termin wird aber kurzerhand abgesagt. Stattdessen kündigt der französische Premier de Villepin mal eben den Abbau von 10 000 Stellen an, was die Bundesregierung umgehend dementiert. Gut ist, dass die Politik um die Arbeitsplätze im eigenen Land kämpft. Schlecht ist, wie dies geschieht."

In der KÖLNISCHEN RUNDSCHAU heißt es dazu:

"Offenbar hat keiner den Steuerknüppel fest in der Hand. Weil zu viele Piloten glauben, den Kapitän spielen zu können. Die Sauerstoffmasken zur Wiederbelebung einer tollen Idee sollten schon einmal ausgelöst werden. Einst ging Europa mit Pioniergeist und zunächst großem Erfolg daran, sich auf dem Weltmarkt der Flugzeuge stark zu positionieren. Nachdem nun Airbus kurz davor ist, das gesteckte Ziel zu erreichen, ist die alte Krankheit nationaler Egoismen wieder da."

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG sieht vor allem die französische Regierung in der Verantwortung:

"Seit jeher versucht Paris, sich mit einer hemdsärmeligen Industriepolitik Vorteile auf Kosten anderer zu verschaffen. Das hat Berlin zwar erkannt, aber viel zu lange klaglos hingenommen. Nicht mehr bei Airbus - es wurde auch Zeit. Denn hier geht es um den Job von tausenden hochqualifizierten Mitarbeitern, den Erhalt von Spitzentechnologie und Innovationskraft. Darum, ob Deutschland auch künftig in einem Schlüsselbereich unter den führenden Industrienationen präsent ist."

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth blickt hinter den europäischen Horizont:

"Wird der Airbus ein Asiate? An dem Europa-Flieger werkeln schon Chinesen, Inder aber auch Russen mit. Aber im Cockpit des prestigeträchtigen Luftfahrtkonzerns sitzen europäische Politiker. Sie werden den Airbus nicht komplett wegtrudeln lassen. Die kniffelige Aufgabe lautet, den europäischen Kern zu erhalten und die neuen Mitspieler zu integrieren. Der Europakonzern dürfte also eine große Zukunft haben. Und die deutschen Flugzeugtechniker werden ihren Platz darin mit gewohnter Tüchtigkeit behaupten."