1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Mittwoch, 21. November 2007

Reinhard Kleber20. November 2007

EU-Agrarpolitik

https://p.dw.com/p/CPen

Die milliardenschweren Agrarausgaben der Europäischen Union sollen weiter sinken. Darauf verständigte sich die EU-Kommission in Brüssel. Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel will unter anderem die Subventionen für die größten Empfänger kappen, zu denen auch ostdeutsche Betriebe gehören. Die Bundesregierung kündigte ihren Widerstand an. Der absehbare Konflikt stößt auch bei den Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen auf Interesse.

Die TAGESZEITUNG aus Berlin schreibt:

„Die Ausgangsbedingungen für eine Agrarreform in der Europäischen Union sind so günstig wie seit langem nicht: eine hohe Nachfrage nach Lebensmitteln, neue Märkte für Bioenergie und in Frankreich ein frisch gewählter Präsident, der seine Basis weniger in der ländlichen Bevölkerung als in der Unternehmerelite seines Landes sieht. Doch im Vergleich zu dem, was Agrarkommissar Franz Fischler 1993 unter deutlich schlechteren Vorzeichen forderte, sind die Vorschläge der Barroso-Kommission äußerst zaghaft. Es stimmt zwar: Fischlers Weichenstellung hat Wirkung gezeigt. Der Anteil des Agrarbudgets am EU-Haushalt nimmt seit Jahren ständig ab. Inzwischen teilen sich 27 Mitgliedsländer einen Topf, aus dem sich ursprünglich 15 Länder bedienen konnten. Doch die (…) Subventionszahlen aus Brandenburg zeigen, dass der Traktor noch immer in die falsche Richtung fährt.“

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf meint:

„Mit den Vorschlägen der EU-Kommission für die Weiterentwicklung der 2003 eingeleiteten Agrarreform kommt es für ostdeutsche Großbetriebe knüppeldick. Massiv will die Kommission ihnen die Direkthilfen kürzen. Ob es Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel gelingen wird, die Pläne am Ende gegen den heftigen Widerstand von Bauernverband und Landwirtschaftsminister Seehofer durchzusetzen, ist ungewiss. Zu wünschen wäre es. Denn die bisherige Subventionspraxis fördert allzu einseitig die Großbetriebe. 20 Prozent der Empfänger erhalten so 80 Prozent der Subventionen. Frühere Anläufe, dies zu ändern, sind an der Lobby der Großagrarier gescheitert. Diesmal könnte es auch deshalb besser laufen, weil seit dem weltweiten Anstieg der Nachfrage nach Lebensmitteln die Preise im Steigflug sind und die europäische Landwirtschaft damit erstmals die Chance hat, auch ohne Subventionen auskömmliche Einkommen zu erwirtschaften.“

In der RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz ist zu lesen:

„Eine Gemeinschaft, die viel mehr in Kühe statt in kluge Köpfe investiert, ist nicht zukunftsfähig. In der Lissabon-Agenda hat sich Europa zum Ziel gesetzt, wettbewerbsfähigster wissensbasierter Wirtschaftsraum der Welt zu werden. Wie das mit einem Etat klappen soll, der zu rund 80 Prozent aus Subventionen besteht, hat bisher allerdings niemand erklärt.“

Schließlich noch Die WELT aus Berlin, die Folgendes anmerkt:

„Die Union ist zwar inzwischen eine wirtschaftliche Supermacht. Aber für seine Bürger besteht Europa immer noch aus Einzelmärkten. Selbst das Internet hat wenig daran geändert, dass in vielen Branchen vom freien Spiel der Kräfte bei weitem nicht die Rede sein kann. Mit freiwilligen Vereinbarungen, wie sie die EU-Kommission vorschlägt, sind diese Grenzen nur schwer niederzureißen. Ein Beispiel dafür lieferten die Roaming-Gebühren, die erst durch Zwangsmaßnahmen gedrückt werden konnten. Dennoch ist es richtig, nicht am Anfang mit schweren Geschützen aufzufahren, sondern erst an den guten Willen zu appellieren. Wenn es nötig wird, kann die Gangart später noch schärfer werden. Das Ziel jedoch ist wohl erkannt: Wenn nicht nur Großkonzerne, sondern auch kleine Verbraucher vom Binnenmarkt profitieren, kann Europa ungeahnte Potenziale heben.“