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Pressestimmen von Mittwoch, 22. Juni 2005

zusammengestellt von Arian Fariborz 21. Juni 2005

Spitzensteuersatz / Grünes Wahlprogramm

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Zentrales Thema in den Kommentaren der deutschen Tagespresse ist an diesem Mittwoch die rot-grüne Debatte um eine Sondersteuer für Spitzenverdiener. Die Leitartikler beleuchten außerdem das Wahlprogramm, das die Grünen in Berlin vorstellten.

In der rot-grünen Koalition mehren sich die Stimmen für eine Sondersteuer für Spitzenverdiener. Die steuerpolitische Kehrtwende kommentieren die KIELER NACHRICHTEN:

"Der Plan, den Spitzensteuersatz zu erhöhen, konterkariert die eigene Reformpolitik, zu der gerade dessen Senkung gehörte. Künftig soll das Herz der alten Tante SPD wieder links schlagen. Und damit es kräftig genug schlägt, bieten die Grünen ihre Dienste als Herzschrittmacher an. Diese Entwicklung wollte der Kanzler mit seinem Vorstoß für Neuwahlen unbedingt verhindern. Der Befreiungsschlag ist misslungen. Schröder ist ein Getriebener seiner eigenen Truppen geworden."

Ähnlich negativ bewertet die WESTDEUTSCHE ZEITUNG die Vorschläge für eine Reichensteuer:

"Natürlich ist es angesichts der schwierigen Haushaltslage legitim, alle sinnvollen Einnahmemöglichkeiten auszuloten. Rein rechnerisch brächte allerdings die Millionärssteuer relativ wenig, zumal die Einkommenssteuer insgesamt gerne überschätzt wird. Und die ins Visier genommenen 'Millionäre' sind prädestiniert, sich passende steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten oder gar andere Wohnsitze zu suchen. Deutschland hätte nicht nur den Imageschaden, sondern statt Mehreinnahmen sogar finanzielle Verluste."

Und im MANNHEIMER MORGEN lesen wir:

"Eine Sondersteuer für Reiche? Da dürfte wohl die Mehrheit der Deutschen mit dem Kopf nicken. Wenn schon drei Viertel der Bundesbürger die Kapitalismus-Kritik von Franz Müntefering begrüßen, wird sich das Mitleid mit den Spitzenverdienern in Grenzen halten. Die Klasse der Ackermänner & Co steht derzeit nicht hoch im Kurs. Doch Vorsicht vor Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Vieles von dem, was jetzt unters Volk gestreut wird, ist vor allem dem Wahlkampf geschuldet. Unter dem Strich wird eine Vermögenssteuer deutlich weniger Geld in die leeren Haushaltskassen schaufeln, als viele glauben."

Das Wahlprogramm der Grünen deutet das HANDELSBLATT aus Düsseldorf:

"Mit ihrem Wahlprogramm üben sich die Grünen in der Kunst des Spagats. Sie ringen die Hände über die 'Schicht der Ausgeschlossenen', aber den nicht Ausgeschlossenen wollen sie Mindestlöhne sichern. Die Schuldenspirale darf sich keinesfalls weiterdrehen, aber dass die Sozialhilfe und die Investitionsquote des Staates nicht höher sind, halten sie gleichfalls für einen Skandal. Mit anderen Worten: In einer Zeit, da sich das Land entscheiden muss, ob es noch genügend Kraft zur Erneuerung aufbringt oder nicht, bekennen sich die Grünen zu einem entschiedenen Sowohl-als-auch."

Zu einem anderen Schluss kommen die STUTTGARTER NACHRICHTEN:

"Die Grünen halten in der Krise - so liest sich zumindest das Wahlprogramm - an ihrer Identität fest. Sie wollen links bleiben, aber auch Reformmotor. Das Programm scheint ein Kompromiss zwischen Sozialem und Modernem, korrigiert aber mit der 'Reichensteuer' frühere Entlastungen für Spitzenverdiener. Hier wird aus zartlinks hartlinks. Jede annähernde Solidarität mit dem Noch-Partner SPD steht unter Vorbehalt - über den Wahltag hinaus."

Abschließend schreibt die LANDESZEITUNG aus Lüneburg:

"Einst als grünes Gewissen der Republik belächelt, schwingen sich die Grünen nun auch noch zum roten Gewissen auf. Das Wahlprogramm des Juniorpartners enthält wirtschaftspolitische Zielsetzungen, die einer SPD zu Zeiten Lafontaines zur Ehre gereicht hätten. Und ist zugleich eine unverhohlene Abrechnung mit der bisherigen Politik aus der Feder des Bundeskanzlers. Im Programm hat Arbeit Vorfahrt und das Kernthema Ökologie fast überholt. So wollen die Grünen vor allem die Steuersenkungen für Großverdiener rückgängig machen. Auch wenn in der SPD schon seit Wochen ähnliche Pläne reifen, ist das rot-grüne Bündnis nach sieben Jahren verwelkt."