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Pressestimmen von Mittwoch, 23. August 2006

Zusammengestellt von Siegfried Scheithauer22. August 2006

Bundeswehr im Kongo/ Merkel auf CDU-Kongress/

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Die Europäische Union musste nach den heftigen Gefechten in der Demokratischen Republik Kongo mit einem verstärkten Aufmarsch in Kinshasa reagieren. Die Sorge über eine weitere Eskalation vor der Stichwahl zwischen Präsident Joseph Kabila und seinem Herausforderer Jean-Pierre Bemba bewegt auch die Leitartikler der deutschen Tagespresse.

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND kommentiert:

"Der EU-Einsatz steht an einem kritischen Punkt: Gelingt es jetzt nicht, eine Eskalation des Konfliktes zu stoppen, dann müssen die Europäer ihre Hoffnungen begraben und die Rückzugsplanung beginnen. Wenn die Autorität der EU als Ordnungsmacht, Finanzier und Partner des Aufbaus jetzt schon nicht reicht, um wieder Ruhe zu schaffen, dann wird sie später erst recht nichts bewirken. Etwa wenn die Stichwahl naht oder das Ergebnis einem der Teilnehmer nicht gefällt."

Der MANNHEIMER MORGEN fürchtet sogar einen Bürgerkrieg:

"Die Finanzmittel für die Stichwahl lassen sich auftreiben, viel schwieriger dürfte es werden, wenn sich die Spaltung des Landes, die sich im Wahlergebnis manifestiert, verfestigen sollte. Präsident Kabila hat den Osten gewonnen, Herausforderer Bemba den Westen. Die Gefahr, dass der Kongo tatsächlich in zwei Teile zerfällt ist groß, die Gefahr, dass es zu einem Bürgerkrieg kommt, ebenso. Klar ist deshalb: Die Friedenstruppe kann sich nach Ablauf des Mandats nicht einfach aus dem Staub machen. Das Ende des Kongo-Einsatzes lässt sich nicht mehr absehen."

Besonderes Augenmerk findet das Engagement der Bundeswehr. Auch die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz hat in diesem Zusammenhang vor allem viele Fragen:

"Eine Stichwahl ist im Kongo angesagt, aber wie es scheint, gibt es eine Hieb- und Stichwahl. Und mittendrin 130 deutsche Fallschirmjäger, die dort ein Signal setzen sollen. Fragt sich nur, welches? Und an wen? Der amtierende Präsident Kabila hat die größeren Chancen und wohl auch die Mehrheit des Militärs hinter sich. Ob das ausreicht, das Land ruhig zuhalten, muss sich erst noch zeigen. Für die deutschen Soldaten ist all das höchst fatal. Bei einem klaren Votum im ersten Wahlgang hätten sie noch die Chance gehabt, planmäßig an Weihnachten zu Hause zu sein. Daraus wird jetzt wohl nichts mehr."

Die BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG schließt sich an:

"Solange in einem Land wie dem Kongo die politisch Mächtigen nicht gewillt sind, Kompromisse einzugehen und Frieden zu schließen, können ausländische Soldaten nur Brände austreten, das Feuer der Gier und der Unversöhnlichkeit wird weiter glühen. Unter diesen Umständen ist der Einsatz im Kongo fahrlässig, weil er die Gefahr für die Soldaten missachtet und sich hinter einer diffusen Verantwortungs-Rhetorik für Afrika versteckt."

Zweites großes Thema auf dem Kommentarseiten ist der Berliner CDU-Kongress zur Programmerneuerung. Von ihm wollte die CDU das Signal aussenden, dass sie dem Bürger Orientierung und Sicherheit geben kann und Antworten auf die Fragen der Zeit. Bei den Beobachtern überwiegen die Zweifel, insbesondere an Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel.

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf kommt zur Bewertung:

"Die CDU ist derzeit so wenig selbstsicher, dass sie kaum zusätzliche Fragen und Denkpausen braucht. Niemand würde Merkel autoritäre Führung vorwerfen, wenn sie zeigte, in welche Richtung sie selber will. Ihre allgemeinen Ausführungen über den Zusammenhang von Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit leisten das nicht. (...) Merkel sucht offenbar selber noch nach überzeugenden Antworten."

Das MAIN-ECHO aus Aschaffenburg beschreibt die Zerrissenheit der Christdemokraten:

"Der bewährte Gleichklang von konservativem Gesellschaftsbild, marktwirtschaftlichem Liberalismus und sozialem Ausgleich, einst Markenzeichen und Erfolgsrezept der CDU, ist im Zeichen des verschärften globalen Wettbewerbs aus den Fugen geraten. Die Union mäandert orientierungslos zwischen dem radikalen Marktliberalismus der FDP und dem tradierten Sozialstaatsmodell der SPD hin und her."

Und was heißt das für die große Koalition mit der SPD? Die STUTTGARTER NACHRICHTEN bilanzieren:

"Erstens: Die schwarzen und roten Konzepte passen auf den wichtigsten Reformfeldern kaum zusammen. Und zweitens: Mit Merkel hat die fragile Konstellation ihre ideale Besetzung an der Spitze gefunden. Loyal, moderierend, unaufgeregt. Lavierend, flexibel, pragmatisch. Kein Wunder, dass sich manch großer und kleiner CDU-Fürst da die Augen reibt."

Geteilte Meinungen gibt es zum CDU-Vize und nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers, der eine stärkere soziale Profilierung verlangt hatte.

Die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG lässt Bewunderung erkennen: "Eins muss man dem NRW-Premier lassen: Von Marketing versteht er wirklich was. (...) Rüttgers Ziel ist dabei klar: stilistisch sucht er die Spur von Johannes Rau, programmatisch will er über seine Sozialstaatsthesen der SPD den Boden entziehen. Dass er im Land dann mehr oder weniger liberal regiert, ist dabei dann der eigentliche Clou", schreibt die WAZ.

Die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld bleibt kritischer:

"In Düsseldorf rief Rüttgers sich zum Vorsitzenden der Arbeiterpartei aus, in Berlin plädiert er für eine Koalition mit der stramm wirtschaftsliberalen FDP. Man dürfe nicht alle Lebensbereiche ökonomisieren, mahnt er, distanziert sich aber von den klassischen CDU-Linken Norbert Blüm und Heiner Geißler. Inhaltlich hat Rüttgers nichts bewegt, aber das Thema des Sommertheaters bestimmt."