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Pressestimmen von Mittwoch, 25. Februar 2004

Zusammengestellt von Susanne Eickenfonder24. Februar 2004

Putin entlässt Regierungschef / EU-Türkei-Diskussion

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Die meisten Kommentatoren der deutschen Tagespresse befassen sich dieses Mal mit der Entlassung des russischen Regierungschefs.

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND schreibt:

"In den meisten europäischen Ländern würde diese Nachricht eine veritable Regierungskrise auslösen: Der Präsident hat kurzerhand den Ministerpräsidenten und dessen Kabinett entlassen. In Russland... blieben die Schockwellen dagegen gedämpft. Dort hat sowieso nur einer das Sagen, und das ist - egal, wie der Regierungschef heißt - Putin. Die Entlassung Kasjanows zeigt, wie sicher sich der russische Präsident in seiner Position fühlt... Wie schon im Fall des Ölmagnaten Michail Chodorkowskij demonstriert Putin unverblümt, dass er eine Rücksichtnahme auf die mächtigen Oligarchen nicht länger für nötig hält."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG weist darauf hin:

"Regierungschefs fallen für gewöhnlich nach verlorenen Wahlen. In Russland ist es ein bisschen anders....In drei Wochen stimmen die Russen über ihren künftigen Präsidenten ab, und es ist völlig klar, dass dies ganz der alte sein wird... aber, weil Putin nicht nur einen Sieg, sondern einen Triumph will, muss er seine überzeugendste Rolle geben: den Mann mit der starken Hand. Mit der hätte er Kasjanow zwar auch nach der Wahl vor die Tür setzen können. Aber dann hätte er sich eines politischen Knalleffekts beraubt."

In der BERLINER ZEITUNG lesen wir:

"Kasjanow ist verzichtbar geworden, und seine Entlassung scheint obendrein ziemlich populär. Denn zu den Gerüchten um den Premier gehört auch, dass er den in Russland weithin gehassten Oligarchen Beresowski und Abramowitsch zumindest in der Vergangenheit nahe stand. Seine angebliche Beteiligung an deren Geschäften brachte ihm den nicht gerade schmeichelhaften Spitznamen 'Mr. Zwei Prozent' ein."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU stellt fest:

"Putin hat sich des Regierungschefs entledigt, der ihm seit vier Jahren die laufenden Geschäfte erledigt hat und der doch nicht gerade sein engster Vertrauter sein konnte. Michail Kasjanow wird eher der 'Familie' zugerechnet, dem Klüngel um Boris Jelzin, der zwar im Sommer 1999 den Kandidaten Putin erfunden hat, aber vom Einfluss auf die Staatsgeschäfte weiter und weiter abgedrängt wird. Im Kielwasser Putins haben sich mittlerweile andere Cliquen nach oben geschafft."

Der WIESBADENER KURIER merkt an:

"Im System Putin spielt der Ministerpräsident ohnehin eine untergeordnete Rolle. Kasjanow, der gegenüber dem starken Kremlherrn nicht durch eigenständige Ambitionen auffiel, gilt gleichwohl als Überbleibsel der Jelzin-Zeit....Spätestens nach seiner Wiederwahl dürfte Putin die Reihen mit Gefolgsleuten seines Petersburger Kreises schließen. Auch in puncto Cliquenwirtschaft sieht Putins Russland damit seinem kommunistischen Vorgängerregime immer ähnlicher".

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf spekuliert über den künftigen Regierungschef. Zitat:

"Viel spricht dafür, dass es diesmal kein Geheimdienst-Mann wird. Davon hat Putin genug an den Schlüsselstellen der Macht etabliert. Außerdem will er als Reformpräsident in die Geschichte eingehen, als derjenige, der Russlands Wirtschaftskraft verdoppelt und seine Landsleute von Armut befreit hat. Dafür muss das Bankwesen umgebaut werden, die Energie-Monopole sind zu entflechten und auf breiter Front ist die Wirtschaft aus dem Griff des Staates zu befreien."

Abschließend noch ein Blick in die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder. Sie geht auf die Diskussion über einen EU-Beitritt der Türkei ein:

"Wenn es ernst wird mit dem türkischen Aufnahmebegehren, wird man sich vielleicht darauf besinnen, dass die Türkei weder geografisch noch kulturell ein europäisches Gemeinwesen ist, wird man vielleicht ernsthaft darüber nachdenken, ob man sich nach der schwierigen EU-Osterweiterung mit der Türkei nicht finanziell endgültig übernimmt. Und es könnte darüber nachgedacht werden, ob sich ein Versprechen aus dem Jahr 1963 nicht überlebt hat, weil sich die politischen Koordinaten entscheidend verändert haben."