1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Mittwoch, 29. Oktober 2003

Reinhard Kleber28. Oktober 2003

Anstieg des Ifo-Geschäftsklimaindex / Anschlagsserie im Irak / Affäre um russischen Ölmagnaten Chodorkowski

https://p.dw.com/p/4GHl

Der unerwartet große Zuwachs beim Ifo-Geschäftsklimaindex ist das zentrale Thema der deutschen Zeitungskommentare. Weitere Themen sind die Bombenanschläge im Irak und die Affäre um den russischen Ölmagnaten Chodorkowski.

In der in Berlin herausgegebenen Zeitung DIE WELT lesen wir zum Geschäftsklima:

"Der starke Anstieg verblüfft selbst Konjunkturexperten: Angesichts der Milliarden-Haushaltslöcher, der erdrückenden Arbeitslosigkeit, des Reformwirrwarrs und des Hickhacks um die Steuerreform hätten sie den Unternehmern eine so gute Stimmung gar nicht zugetraut. Es ist wohl vor allem die Erwartung eines Anspringens der Weltkonjunktur, die für Optimismus in der exportorientierten deutschen Wirtschaft sorgt. Aufatmen dürfte auch die rot-grüne Bundesregierung. Die jüngsten Ifo-Zahlen bestärken sie in ihrer Hoffnung auf den rettenden Aufschwung. Mit der Konjunktur könnte auch Rot-Grün das Tal der Tränen verlassen."

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND aus Hamburg zeigt sich skeptischer:

Der erneute, kräftige Anstieg des Ifo-Geschäftsklimas ist der Vorbote respektablen Wachstums, das deutlich über der Institutsprognose von 1,7 Prozent liegen könnte. Einige Volkswirte sagen bereits Raten von über zwei Prozent voraus. Potenzielle Gefahren für die Konjunktur gibt es natürlich zur Genüge. Ein scharfer Anstieg des Euro etwa würde die Exportdynamik abwürgen. Angesichts knapper Kassen könnte auch die Politik ihren Sparkurs nochmals verschärfen. Nach Berechnungen der Institute wirkt die Finanzpolitik ohnehin restriktiv. Würde das Vorziehen der Steuerreform durch eine weitgehende Gegenfinanzierung neutralisiert, dann würde die Konjunktur noch stärker gebremst."

Zur Krise im Irak merkt der FRÄNKISCHE TAG aus Bamberg an:

"Damit der Albtraum vom möglichen Machtvakuum endgültig gebrochen wird, müssen vor allem die amerikanischen Macher mehr Gespür für die Befindlichkeiten dieses in dem einen Glauben so geteilten Volkes zeigen. Das Beispiel: Wer die irakische Armee, die bei der Invasion nur einen Minimalwiderstand leistete, samt ihren Diensten in Bausch und Bogen auflöst, hetzt sich hunderttausende waffengeübte Gegner selbst auf den Hals."

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth beleuchtet die Folgen für die USA:

"Das Land ist ein einziger Unruheherd, fast jeden Tag gibt es neue Anschläge, sterben Zivilisten und US-Soldaten. Dies ist alles andere als optimal für US-Präsident Bush, der im nächsten Jahr wiedergewählt werden will. Zwar hofft Bush noch, dass eine anspringende US-Wirtschaft das unerfreuliche Irak-Thema in den Hintergrund drängen wird und die Amerikaner die Außenpolitik links liegen lassen, wenn es mit dem eigenen Wohlstand wieder aufwärts geht. Doch Bush fährt im Irak ein außerordentlich hohes Risiko. Mit jedem toten US-Soldaten, der in die Heimat zurückgeflogen wird, büßt der Präsident beim Wähler Sympathie ein, die er doch so dringend braucht."

Die Festnahme des mächtigen russischen Unternehmers Chodorkowski veranlasst die FRANKFURTER RUNDSCHAU zu folgender Stellungnahme:

"Die Wahl mancher Oligarchen oder ihrer Statthalter in die Staatsduma und auf Gouverneursposten störte den Putinschen Konsens noch nicht - solange das regional begrenzt blieb. Die Finanzierung oppositioneller Parteien ist der Sündenfall. Chodorkowskij hat ihn begangen, wohl weniger aus persönlichem Ehrgeiz als in der Logik seiner ökonomischen Macht. Die ist durch die Fusion seines Jukos- Konzerns mit Sibneft erheblich gewachsen. Putins Mannen sahen die doppelte Bedrohung durch einen ökonomischen Koloss, der nicht nur in seinem Geschäftsbereich, sondern auch auf der zivilgesellschaftlichen Ebene als erster Großer unangenehm aktiv wurde."

Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle erinnerte an ähnliche Fälle in Russland:

"Die Festnahme Chodorkowskis ist die logische Fortführung einer Politik, die Putin und die Angehörigen des Geheimdienstclans seit ihrem Einzug in den Kreml verfolgen. Maskierte FSB-Sturmtruppen - die Chodorkowski verhafteten - sind unter Putin nichts Neues. Sie durften schon im April 2001 den damals vergleichsweise unabhängigen Fernsehsender NTW stürmen. Auch das vergangene Jahr zeigt, dass der Geheimdienstclan den Machtkampf lange vor der Festnahme Chodorkowskis gewonnen hat."