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Pressestimmen von Mittwoch, 3. März 2004

zusammengestellt von Gerd Winkelmann2. März 2004

Bomben-Terror gegen Schiiten / Partei-Gerangel um Rau-Nachfolge

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Blutspuren, Glassplitter und zerfetzte Kleidungsstücke in den Straßen von Kerbela und um die schiitische Moschee in Bagdad - wie viele Menschen bei dem gestrigen Bomben-Terror auf moslemische Pilger getötet wurden, stand auch Stunden später noch nicht fest. Deutschlands Leitartikler sind sich in ihrem Urteil an diesem Mittwoch dagegen einig. Erstes Beispiel ist die 'tz' aus München:

'Der Terror im Irak hat eine neue Dimension erreicht: Ein derart verheerender Angriff auf eine der heiligsten Stätten der Schiiten an einem der höchsten Feiertage hat eine gewaltige symbolische Bedeutung: 'Heute ist dem Islam der Krieg erklärt worden', so ein irakischer Politiker. Wer auch immer hinter dem Anschlag steckt, die Zielrichtung ist klar: Die bislang noch weitgehend friedliche schiitische Bevölkerungsmehrheit soll in einen Bürgerkrieg getrieben werden. So würde den USA das Ruder völlig entgleiten - und die düstren Visionen vom 'zweiten Vietnam' für die US-Besatzer Wirklichkeit.'

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU schreibt:

'Wie ein bedrohlicher Schatten folgt der Terror jedem politischen Erfolg im Irak. Noch war das Dokument über ein provisorisches Grundgesetz nicht unterzeichnet, da zündeten die Attentäter in Bagdad und Kerbela unter den Pilgern des Aschura-Festes ihre Bomben. Hier ein ermutigender Fortschritt auf dem Weg zum Aufbau eines demokratischen Irak, dort mehr als 100 Tote als makabres Zeichen für die Dimension der Aufgabe. Und diese Sequenz droht zum Muster zu werden. Denn je erfolgreicher die Vertreter von Schiiten, Sunniten und Kurden im irakischen Regierungsrat ihre Differenzen überwinden, um so verzweifelter reagieren die Profiteure der Instabilität.'


Wir wechseln das Thema: 'Warum tut sich Wolfgang Schäuble das noch an?' fragt der KÖLNER EXPRESS angesichts des Hickhacks um seine Person im Poker um das Amt des Bundespräsidenten und fährt fort:

'Was da inszeniert wird, hat mit einer seriösen Diskussion nichts mehr zu tun. Vielmehr fühlen wir uns seit Wochen in ein Kasperle- Theater versetzt, in dem eine Peinlichkeit nach der anderen zum Besten gegeben wird. Der mögliche Kandidat spielt dabei nur eine Statistenrolle. Ohne sein Zutun benutzen ihn die Strippenzieher um Merkel und Westerwelle für ihre Machtspielchen und Klüngeleien in den Hinterzimmern der Politik.'

Ganz ähnlich bewertet das der BERLINER KURIER:

'Wie viel ist der Posten des Bundespräsidenten noch wert? Nicht viel. Bis zum Erbrechen wird darum gefeilscht. Dieser Kuhhandel beschädigt das Amt - und alle Personen, die es innehatten oder bekommen werden. Wolfgang Schäuble sollte sich die falschen Freunde vom Halse schaffen, die ihn jetzt verheizen. Das geht allerdings nur, wenn er ihnen in die politische Suppe spuckt und dieses unwürdige Spiel nicht mitspielt. Er müsste seinen 'Gönnern' klipp und klar sagen: Unter diesen Umständen will ich das Amt nicht. Ihr macht es kaputt. Doch er schweigt - und hofft.'

In der BERLINER ZEITUNG lesen wir:

'Das eigentlich Unwürdige in der causa Bundespräsident ist nicht der Umgang mit dem Amt oder der Umgang mit Personen. Das eigentlich Unwürdige ist, dass die Bürger von ihren Politikern zu der einzig wirklich interessierenden Frage: Wer ist der geeignete Bundes- Präsident für das Jahr 2004 und warum? kein Wort hören. Was spricht für Schäuble, für Stoiber, für Klaus Töpfer, für Cornelia Schmalz-Jacobsen, für Renate Schmidt oder gegen sie? Sollte der nächste Bundespräsident ein Ostdeutscher, eine Frau, ein Junger sein? Braucht es einen Nachdenklichen, oder einen Tatkräftigen, einen, der integriert oder einen, der nach vorne strebt, polarisiert? (...) Nichts dergleichen aber interessiert.'

Zum Schluss noch mit dem HANDELSBLATT ein Blick auf die Rolle der FDP:

'Gegenwärtig wächst die politische Wechselstimmung in Deutschland, der Trend bläst Gerhard Schröder mitten ins Gesicht. Rückenwind erhält dadurch bisher nur die Union, aber nicht die FDP. Das wird sich nur ändern, wenn die Liberalen endgültig Abschied von ihrer alten Klientelpolitik (Stichwort: Apotheker) nehmen und sich als der wirtschafts- und finanzpolitisch reformfreudigste und gleichzeitig kompetenteste Teil des bürgerlichen Lagers positionieren. (...) Es gäbe auch ohne die Spitzen gegen Schäuble genug Freiräume, sich gegen die Union zu profilieren. Die FDP muss sie nur nutzen.'