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Pressestimmen von Mittwoch, 5. Oktober 2005

zusammengestellt von Günther Birkenstock. 4. Oktober 2005

Nobelpreis / EU-Verhandlungen Türkei

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Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitung beschäftigen sich vor allem mit der Verleihung des Physik-Nobelpreises und mit den Verhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei.

Der MANNHEIMER MORGEN sieht durch die Verleihung des Nobelpreises an einen Deutschen die Forschung hierzulande deutlich gestärkt:

"Da sage noch einer, in Deutschland sei Spitzenforschung nicht mög- lich. Als 24. Deutscher bekommt der Naturwissenschaftler Theodor W. Hänsch den Nobelpreis für Physik - und das im Einstein-Jahr! Das Bemerkenswerte dabei ist, dass Hänsch im Gegensatz zu seinen deut- schen Vorgängern nicht etwa in den USA forscht, sondern seit zirka 20 Jahren wieder in Deutschland."

Für die STUTTGARTER NACHRICHTEN ist die Nobelpreis-Nachricht ein wichtiges Mittel gegen die deutschen Schwarzmaler:

"Nun einmal kräftig gejubelt, Deutschland: Wir sind Nobelpreisträger! Der Forschungsstandort Deutschland muss sich nicht verstecken, wenn es um erstklassige wissenschaftliche Leistungen geht. Dass die eigenen Universitäten nur 'Mittelmaß' seien, davon will man sich hier zu Lande nicht abbringen lassen. Auch nicht von einem Heer von Nobelpreisträgern."

Auch die SÜDWEST-PRESSE aus Ulm kritisiert die notorischen Schlecht-Redner des Standortes Deutschland:

"Ob es die Menschheit tatsächlich voranbringt, wenn wir bald über Atomuhren verfügen, die Milliarden Jahre lang exakt ticken? Solange auf weiten Teilen des Erdballs noch Menschen verhungern, erscheinen alle Forschungsfortschritte irgendwie relativ, um Einstein zu bemühen. Gleichwohl darf, da sich gefürchtete Schlechtredner wie Hundt und Henkel gestern vornehm zurückhielten, auch mal angemerkt werden, dass es so schlecht um den Forschungsstandort Deutschland auch wieder nicht bestellt zu sein scheint. Der Standort D hat nicht nur mit Kosten und Bürokratie zu kämpfen, sondern auch mit denen, die aus durchsichtigen Motiven versuchen, ihn ständig mies zu machen."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE nimmt die beinahe gescheiterten EU-Verhandlungen mit der Türkei unter die Lupe:

"Sehr ausgeprägt war der Wille der britischen Regierung, den Weg freizubekommen, damit die Verhandlungen der EU mit der Türkei über deren Aufnahme beginnen konnten. Das war und ist das strategische Ziel, dem die britische Regierung nun nähergekommen ist. Haben sie Kroatien tatsächlich als Köder eingesetzt, um Österreich zum Nachgeben zu bewegen, wie das schon vor den nächtlichen «Krisen»-Sitzungen gemutmaßt worden war? ... Die Verfassungsübung ist fürs erste abgebrochen, der ungeliebte Marsch in eine immer engere Union hat einen toten Punkt erreicht."

Die LANDESZEITUNG aus Lüneburg betrachtet das Zustandekommen der Verhandlungen als wichtig für die Entwicklung der Demokratie:

"So sehen Entscheidungen von weltpolitischer Tragweite à la Europa aus: Feilschend stolperte der Kontinent in seine Verhandlungen mit der Türkei über eine Vollmitgliedschaft. Nur knapp schrammte die EU dabei an der Lächerlichkeit vorbei. Nur unter dem Halbmond können Demokratie und Islam versöhnt werden. Nur hier kann wirklich ein Leuchtfeuer der Demokratie entzündet werden."

Die ABENDZEITUNG aus München schließlich betont nach einiger Kritik den kulturellen Gewinn, den eine Annäherung von EU und der Türkei bedeutet:

"Es muss ein unwürdiges Gefeilsche gewesen sein. Österreich wähnte einmal wieder die Türken vor Wien und ließ erst von seinen zur Schau getragenen Urängsten ab, nachdem im Gegenzug ebenfalls mit Kroatien Beitrittsverhandlungen aufgenommen wurden. Wir ahnen ja nicht, wieviel von unserer Kultur und Zivilisation durch den Flaschenhals des Orients geschleust wurde. Insofern ist es schön zu sehen, dass es jetzt zumindest eine reelle Chance gibt, dass Europa sich da arrondieren kann, wo es nicht nur geostrategisch Sinn macht, sondern auch kulturell eine Bereicherung für beide Seiten sein kann."