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Pressestimmen von Mittwoch, 9. Januar 2002

Redaktion: Stephan Stickelmann. 8. Januar 2002

CSU-Votum für Kanzlerkandidat Stoiber/SPD-PDS-Koalition in Berlin

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Das in oberbayerischer Klausur ergangene Votum der CSU für einen Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber ist eines der großen Kommentarthemen der deutschen Tagespresse. Zahlreiche Zeitungen beschäftigen sich ferner mit dem künftigen Regierungsbündnis von SPD und PDS in Berlin.

Zum christsozialen Plädoyer für Stoiber notiert die BERLINER MORGENPOST:

"Die Katze ist aus dem Sack. Die CSU ist in der K-Frage in die Offensive gegangen, und die CDU sieht ziemlich alt aus. Denn der kleinere der Partner, dem nach den ungeschriebenen Unionsgesetzen nicht der erste Zugriff zur Kanzlerkandidatur zusteht, hat sich nach vorn gedrängelt. Das mag unanständig erscheinen, da man im Rahmen zivilisierter Umgangsformen den Damen Vortritt lässt. Aber die CSU hat richtig gehandelt. Angela Merkel ist gewiss eine verdienstvolle Politikerin. Edmund Stoiber aber ist der erfolgversprechendere Kandidat, wenn es um die Chancen bei der Bundestagswahl geht."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU schreibt:

"Mit seiner Bemerkung, die CSU werbe um Zustimmung der
Schwesterpartei für den Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber, hat der bayerische Landesgruppenchef Michael Glos eine Ladung Salz in die größte Wunde der CDU gestreut: Der Satz wirkt wie eine unverhohlene Aufforderung an die Merkel-Gegner in deren eigener Partei, die Vorsitzende endgültig zu demontieren. Sollte Glos' Vorstoß kalkuliert gewesen sein, dann hieße das: Die Herren wollen, wenn sie schon dabei sind, 'das Mädchen' gleich ganz weggräumen."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG gibt allerdings zu bedenken:

"Bisher hatte es Stoiber in seinem Leben nur immer mit
Herausforderern der schwachbrüstigen bayerischen SPD zu tun. Im Falle seiner Kandidatur wäre er selber der Herausforderer eines selbstbewussten Platzhirsches. Stoibers zweites Handicap ist es, dass er nicht nur für die Inthronisation, sondern auch für die langen Monate des Wahlkampfes die viermal so große CDU geschlossen hinter sich bringen und halten muss. Mit CSU pur, wie er das bisher gewohnt war, ist es dann vorbei."

Und die STUTTGARTER ZEITUNG resümiert:

"Ja, sie hatten es sich in der Union so schön vorgestellt mit
einer friedlichen Einigung unter vier Augen. Nun droht ein Konflikt in der CDU-Führung oder eine offene Kampfabstimmung in der gemeinsamen Bundestagsfraktion. Etwas anderes bleibt Edmund Stoiber nicht mehr, sollte er sich im Gespräch mit Angela Merkel nicht durchsetzen. Ob er dazu allerdings bereit ist, steht noch keineswegs fest. Nur eines ist sicher: Ein guter Wahlkampfstart sieht anders aus."

Themenwechsel: Zum künftigen rot-roten Senat in Berlin bemerkt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG:

"Jetzt befindet sich Berlin in der Situation, von einer Koalition
regiert zu werden, die außer Gysis roter Truppe und und ein paar wenigen sozialdemokratischen Funktionsträgern eigentlich niemand wollte. Es ist eine Koalition, die die aus vielerlei Gründen gebeutelte Hauptstadt der Deutschen zu einem Versuchsfeld für eine sozialdemokratisch/sozialistische Politik macht, dessen Ausgang völlig offen ist. Berlin wird von einem Experiment regiert.
Experimente freilich sind das letzte, das diese Stadt jetzt braucht."

In der AUGSBURGER ALLGEMEINEN heißt es:

"Gregor Gysi hat es im Alleingang geschafft, seine PDS, die
Nachfolgepartei der SED, auf schick zu trimmen. Das ist ein großes Kunstwerk. Denn die SED war nicht nur eine bösartige Unterdrückungsorganisation, sie war auch eine der am wenigsten schicken, eine der spießigsten Organisationen Europas, geprägt von pedantischer Gemeinheit und kleinbürgerlichem Kulturhass. Der Meister wird auch den eigentlichen Bürgermeister Wowereit an die Wand und sich selbst in den Vordergrund schwätzen. Er, der Ex-Kommunist, wird Berlins Hauptdarsteller werden."

Die BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG meint allerdings:

"Es wäre heuchlerisch, sich auf diesen Punkt zu konzentrieren. SPD, CDU, Grüne und FDP hatten in Berlin durchaus eine Chance, die PDS von der Verantwortung fern zu halten; sie ließen sie ungenutzt.
Insofern haben sich die so genannten etablierten Parteien nicht mit Ruhm bekleckert, sondern ihre Überzeugungen dem politischen Kalkül geopfert: die einen, weil sie die PDS zum Regieren brauchen, die andern, weil die Postsozialisten Munition im Überfluss für den Bundestagswahlkampf bedeuten."