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Pressestimmen von Montag, 03. Mai 2004

Ulrike Quast2. Mai 2004

Vollzug der bislang größten EU-Erweiterung

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Die größte Erweiterung in der Geschichte der Europäischen Union ist vollzogen. Millionen von Menschen, vor allem in den zehn neuen EU-Staaten, feierten dieses historische Ereignis. Andere sehen der Zukunft der auf 25 Mitglieder gewachsenen EU eher mit gemischten Gefühlen entgegen. Auch die Kommentatoren der deutschen Tagespresse befassen sich mit den Chancen und Risiken der veränderten Gemeinschaft.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU schreibt:

"Es geht wahrlich nicht ums Abfinden mit etwas Unvermeidlichem, zu dem es 'keine Alternative' gab. Viel zu oft war dieser antriebsarme Gedanke jetzt wieder zu hören. Es geht darum, ob dieses größere Europa weit über das Ökonomische hinaus die Lust an neuen Perspektiven, die Neugier aufeinander entdeckt. Denn das ist das Schöne an jeder Ungewissheit: Sie lässt Hoffnungen zu, wenn man sich denn noch welche zu haben traut. Wie könnte ein soziales Europa, im Jahr 2020 etwa, konkret aussehen? Es zählt zu den zwiespältigen Seiten der Festtagsbilanz, dass auch dieses Thema eher in die Rubrik Verdrängtes fällt."

Die LANDESZEITUNG aus Lüneburg ist der Ansicht:

"Tatsächlich verstellen die kleinkrämerischen Wesenszüge der Brüsseler Bürokratie den Blick auf das Wesentliche: Durch die europäische Einigung werden die weltpolitischen Karten neu gemischt. Findet die zivile Supermacht auch zu einer einheitlichen Außen- und Sicherheitspolitik, stoßen Allmachtsfantasien jenseits des Atlantiks an Grenzen. Vorab muss die EU allerdings einen fundamentalen Makel beheben. Bisher ist Europa ein Projekt der Regierungen, nicht der Völker."

Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf meint:

"Einen entscheidenden Geburtsfehler hat diese Sternstunde Europas allerdings : Die EU der 25 ist zu ihrer Erweiterung gar nicht funktionsfähig, weil sie sich bei der Regierungskonferenz von Nizza zu keinem praktikablen Modus der Mehrheitsfindung durchringen konnte. Nach der gestrigen Feierstunde muss dieser Sündenfall umgehend behoben werden."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kommt zu dem Schluss:

"Es ist das größte Kompliment an die Altmitglieder der EU, dass alle europäischen Länder ihre Zukunft in der Gemeinschaft mit ihnen sehen, obwohl sie im Laufe der Geschichte nicht nur Gutes von ihnen erfahren hatten. (...) Innerhalb dieses Konsenses gibt es ausreichend Streitpunkte und auch harte Methoden, um dem Wettkampf um den eigenen Vorteil zu frönen. Daher warnte Bundespräsident Rau mit einem Wort des Papstes vor «selbstsüchtigen Nationalismen» und erkannte zugleich die Nationen als «lebendige Zentren kulturellen Reichtums» an. Das oft kritisierte Wort de Gaulles vom «Europa der Vaterländer» scheint dem gegenwärtigen Stand am angemessensten zu sein."

Auch die in Regensburg erscheinende MITTELBAYERISCHE ZEITUNG kommentiert die EU-Erweiterung:

"Vor allem die Amerikaner machen gar keinen Hehl daraus, dass sie Europa und den neu entstandenen, bedeutenden Wirtschaftsraum mit Skepsis betrachten. Ökonomischen Profit aus der transatlantischen Beziehungen zu ziehen, dafür sind die Vereinigten Staaten zwar aufgeschlossen; doch ein enger Zusammenschluss von 25 europäischen Staaten läuft US-amerikanischen Sicherheitsinteressen zuwider, weil US-Präsident George W. Bush seit dem 11. September 2001 viel lieber von Fall zu Fall auf 'Koalitionen der Willigen' setzt."

In der TAZ aus Berlin heißt es:

"Derzeit werden die ersten Arbeitnehmer, die aus Deutschland nach Polen fahren, noch als Exoten bestaunt. Angesichts der ostdeutschen Misere und der rasanten Entwicklung in den Beitrittsländern könnten es freilich bald mehr werden. Dann würde sich zeigen, dass der langsame Weg der wirtschaftlichen Angleichung für beide Seiten besser ist - für die Europäer im Osten wie im Westen."

Abschließend ein Blick in die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld:

"Gegner dieser Erweiterung mussten ihren Ärger eher einsam verarbeiten. Das Europa der 25 verspricht Hoffnung, zeigt gerade den jungen Menschen eine Zukunft auf, das Zusammenwachsen der Völker, ohne nationale Interessen zu vernachlässigen. Erst jetzt bildet sich das wahre Europa heraus. Jetzt muss die Politik zeigen, dass sie mit dieser Verantwortung umgehen kann."