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Pressestimmen von Montag, 1. März 2004

Siegfried Scheithauer29. Februar 2004

CDU-Sieg in Hamburg/Anarchie auf Haiti

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Der überwältigende Sieg der CDU in Hamburg unter Bürgermeister Ole von Beust dominiert die Kommentare der deutschen Presse zum Wochenbeginn.

Der TAGESSPIEGEL aus Berlin schreibt in einer ersten Einschätzung:

"Alles riskiert - und alles gewonnen. Der in diesem Ausmaß absolut einmalige Wahlsieg der Union ist ein persönlicher Triumph von Ole von Beust. (...) Thomas Mirow, dem Frontmann der SPD, gelang es nicht, Beust auf das Feld der Sachdiskussion zu locken, wo er vielleicht noch hätte punkten können".

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE fasst zusammen:

"Während Beust seine Popularität in das beste Ergebnis ummünzte, das die Union je in Hamburg erreichen konnte, blieb die SPD mit dem schlechtesten Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte der Hansestadt auf der Strecke. (...) Aus sozialdemokratischer Sicht ist das kein gutes Omen für das Wahljahr 2004", meint die FAZ.

Die STUTTGARTER ZEITUNG stimmt ein in den Abgesang auf die Sozialdemokratie:

"Der Müntefering-Effekt, von dem die Sozialdemokraten zu profitieren hofften, scheint denn doch nicht von jener durchschlagenden Wirkung zu sein, die sie sich selbst eingeredet haben. (...) Der künftige Parteichef Franz Müntefering wird es nach diesem Debakel noch schwerer haben, die SPD auf Kanzlerkurs zu halten."

Ganz anders der KÖLNER STADT-ANZEIGER, der noch keine Vorentscheidung erkennen will:

"In Hamburg hat die CDU noch nicht die Bundestagswahl gewonnen. Erst wenn die Union darlegt, für welche Reformforderungen sie wirklich steht, wird sich zeigen, ob die Wähler ihr folgen. Die Bürger entscheiden schnell. Ihre traditionellen Bindungen lassen nach. Heute stürzt eine Partei ab, morgen schießt sie nach oben. Keine kann sich ihrer Erfolge sicher sein."

Die Berliner "B.Z." sieht die SPD in der Hansestadt in erster Linie als Opfer der Bundespolitik:

"Die Bürger haben die Nase voll von einer rot-grünen Politik, von der als wesentliche Eindrücke Rentenkürzungen, Dosenpfand, Maut- Chaos und Milliarden-Verschleuderung bei Bundesbehörden geblieben sind. Auf der anderen Seite steht eine Union, die in Hamburg mit ruhiger Ent-schlossenheit überzeugt und im Bund nach großem internen Streit zu innerer Ge-schlossenheit gefunden hat."

Der Leitartikler der FRANKFURTER RUNDSCHAU führt den CDU-Erfolg - wie viele seiner Kollegen - vor allem auf die Popularität des Spitzenkandidaten zurück:

"Ole von Beust, der eher ein Lebensgefühl verkörpert als ein Programm, passt eben geradezu ideal in diese Hansestadt des frühen 21. Jahrhunderts: liberal, weltoffen, modern, unverbindlich, zaudernd. (...) Er siegte trotz einer nicht einmal mittelmäßigen Landespolitik, deren Mängel sich in steigenden Arbeitslosenraten, Finanzproblemen und Bildungsmisere manifestieren - für Beust ein Grund mehr, von Sachthemen zu schweigen."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG will noch andere Ursachen für die riesigen Zuwächse der Christdemokraten entdeckt haben:

"Ein weiterer Grund ist der Verfall der Schill-Partei. Die 19,4 Prozent des Polit-Quacksalbers von 2001 sind großteils Ole von Beust zu Gute gekommen. Beust wurde schließlich (...) von den lokalen Monopolzeitungen des Springer-Verlags protegiert. Sie haben eine Imagekampagne für Beust geführt, seine Schwächen versteckt, seine Fehler verschwiegen und seine Regierungsleistung verklärt".

Kritisch beobachtet wird zudem die jüngste Eskalation im
Karibikstaat Haiti, insbesondere nach der Flucht des Präsidenten Jean Bertrand Aristide ins Exil.

Die DRESDNER NEUESTEN NACHRICHTEN merken an:

"Lange genug hatten die USA ignoriert, dass der einstige Freiheits- kämpfer sich zum Autokraten entwickelte und das Land ins Elend stürzte. (...) Die Rebellen machen derzeit vor allem als plündernde und mordende Landsknechte auf sich aufmerksam. Die alte Herrscher- Riege hat sich disqualifiziert, und die Opposition steht noch auf schwachen Beinen."

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf fordert ein umfassendes internationales Eingreifen:

"Dass die siegreichen Rebellen nunmehr die neuen Herrscher in Haiti sein sollen, ist eine reine Horrorvorstellung. (...) Sosehr die USA und Frankreich als frühere Kolonialmacht zugeschaut haben, wie Haiti auf den vollkommenen staatlichen Zusammenbruch zusteuerte, so sehr sind sie nun in der Pflicht, beim politischen Wiederaufbau zu helfen."