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Pressestimmen von Montag, 18. Februar 2002

Frank Gerstenberg18. Februar 2002

Diepgen / Eichels Sparmaßnahmen

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Der Rücktritt von Eberhard Diepgen als Chef der Berliner CDU ist das beherrschende Thema in den Kommentarspalten. Im Blickpunkt steht außerdem die Sparpolitik von Finanzminister Hans Eichel.


Der MANNHEIMER MORGEN schreibt zur Demission des ehemaligen Regie- render Bürgermeisters von Berlin, der von seiner Partei nicht als Spitzenkandidat der Berliner CDU für die Bundestagswahl nominiert worden war:

"Nach 16 Jahren als Rathaus-Chef und 18 Jahren als Parteivor- sitzender endet eine politische Karriere im Desaster. Der 60-Jährige ist nicht schuldlos daran. Diepgen gehört zu jenen Politikern, die einfach nicht wahrhaben wollen, dass ihre Zeit vorbei ist. Wer negiert, dass er selbst von den eigenen Anhängern als 'Symbol einer gescheiterten Politik in Berlin' betrachtet wird, und trotz Warnungen dennoch an einer Kandidatur festhält, darf sich über die anschließende Demontage nicht wundern."


Ähnlich sieht es auch die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG:

"Die eigene Rolle zu überschätzen, keinen Nachfolger aufzubauen, die Stimmen und Stimmungen von Parteimitgliedern und Wählern falsch einzuschätzen und so einen rechtzeitigen Abgang in allen Ehren zu verpassen, ist offensichtlich eine tragische Schwäche verdienter Politiker. Diepgens unrühmliches politisches Ende hat allerdings eine gute Seite: Dadurch, dass der DDR-Bürgerrechtler Günter Nooke an seine Stelle tritt, wird an die Verdienste dieser Bevölkerungs- gruppe für Freiheit und Einheit erinnert."

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ist zu lesen:

"Offenbar muss man sich die Wirkungen und Nebenwirkungen von Macht tatsächlich wie bei einer Droge vorstellen. Realitätsverlust wäre dann nur einer der psychologischen Indikatoren. Freunden und Angehörigen von Suchtkranken wird empfohlen, dem Abhängigen nicht mehr zu helfen. So einer müsse einfach einmal ganz allein im Dreck liegen, damit er begreift, was mit ihm los ist. Mag also sein, dass die Berliner Christdemokraten ihrem Eberhard Diepgen geholfen haben und dass jetzt mit der Entgiftung auch die Therapie beginnen kann."

Schließlich heißt es in der STUTTGARTER ZEITUNG:

"Sicher, er war ein ausgebufftes Schlitzohr, ein erfolgreicher Populist und ein noch erfolgreicherer Westberliner. Ein Politiker mit Stil und Anstand aber war er selten. Anstand hätte bedeutet, nach Bekanntwerden des Spendenskandals kompromisslos reinen Tisch zu machen und sich auch vom alten Weggefährten Klaus Landowsky zu trennen. Diepgen darf sich über seinen ruhmlosen Abgang nicht beklagen. Und die Berliner CDU sollte wissen, dass mit Diepgens Abschied der Neuanfang noch lange nicht vollzogen ist. Die eigentliche Erneuerung, sie fängt jetzt erst richtig an."


Der Bonner GENERALANZEIGER befasst sich mit den Ankündigungen von Finanzminister Hans Eichel, die Sparmaßnahmen weiter zu verschärfen:

"Mit seinem Versprechen in Brüssel, gesamtstaatlich im Jahr 2004 'nahezu' keine neuen Schulden zu machen, versucht Hans Eichel die Quadratur des Kreises. Zumal er Bundeskanzler Gerhard Schröder zusichern musste, das Ganze ohne Steuererhöhungen zu bewerkstel- ligen. Da das Problem nicht durch Ausgabenverschiebungen etwa auf Länder oder Gemeinden zu lösen ist, kann es nur um Kürzungen von Sozialleistungen und drastische Einschnitte bei Subventionen gehen. Denn es verbietet sich, die Investitionen noch weiter als in den vergangenen Jahren zurückzuführen."

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER notiert:

"Was sich Finanzminister Hans Eichel jetzt für die nächsten zwei Jahre im Kampf gegen die Neuverschuldung vorgenommen hat, ist äußerst ehrgeizig. Die Öffentlichkeit würde an den guten Vorsätzen zweifeln, sollten Spar-Operationen nun der wahltaktischen Geheimnis- tuerei unterliegen. Das gilt für Regierung wie für Opposition. Was Stoibers Leute vorhaben, verbergen sie derzeit hinter dem Nebel- begriff vom Kassensturz.»

Der Kommentar der HEILBRONNER STIMME lautet:

"Finanzminister rechnen anders, ganz anders. Um den blauen Brief aus Brüssel zu verhindern, hat sich Hans Eichel auf ein riskantes Versprechen eingelassen: Bis zum Jahr 2004 will er die Neuverschul- dung nahezu auf Null gedrückt haben. Wenn er auch nur in die Nähe seiner zehn bis zwölf Milliarden landen will, muss er nicht nur den Rotstift ansetzen, sondern die Säge."