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Pressestimmen von Montag, 19. Januar 2004

18. Januar 2004

Schwerer Anschlag auf US-Verwaltung in Bagdad/ CDU-Vorsitzende Merkel skeptisch bei Steuerreform

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Einer der schwersten Anschläge in Bagdad seit dem Kriegsende: Auch bei vielen Leitartiklern der deutschen Tagespresse wachsen die Zweifel an der Irak-Strategie der USA.

"Der Terror ist total", meint die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG und fährt fort:

"Im Irak hat der gewaltsame Widerstand gegen die US-Besatzung längst alle Grenzen gesprengt und die Richtung verloren. Getötet werden nicht mehr nur die amerikanischen Soldaten, nicht mehr allein die Ausländer. Zum Ziel kann jeder werden, der sich nach dem Ende der Diktatur auf die neue Zeit einlässt. (...) Die Terroristen wollen jeden Fortschritt torpedieren und alles zunichte machen, was das Leben der Iraker besser machen könnte."

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND bemüht sich um eine Einordnung in die Gesamtsituation angesichts zunehmenden Widerstands auch bei Schiiten und Kurden:

"Die USA haben sich in eine politische Sackgasse manövriert, aus der sie allein nicht herausfinden werden. Sie haben die Übertragung der Regierungsverantwortung an eine irakische Übergangsregierung zum 1. Juli angekündigt. Wahlen soll es aber erst 2005 geben. Der Prozess, den sie dadurch ausgelöst haben, hat eine kaum noch zu bremsende Eigendynamik entwickelt."

Ähnlich analysiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Die Vereinten Nationen sollen nachträglich einen bestenfalls halb-demokratischen Prozess legitimieren und retten helfen, auf den sie keinen Einfluss haben und gegen den sich in Irak zunehmend Widerstand formiert. (...) Man kann festhalten, dass die Bush- Regierung sich selbst in die Lage des Bittstellers manövriert hat. Nur hilft das kaum weiter. (...) Welche Korrekturen sind jetzt noch möglich? Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan ist nicht zu beneiden."

Die HEILBRONNER STIMME sieht den amerikanischen Präsidenten auch im eigenen Land in der Bredouille:

"Der außer Kontrolle geratene Irak verdirbt Bush zunehmend die Wahlkampf-Regie. Die Zahl der getöteten Amerikaner hat die traurige Rekordzahl von 500 erreicht. (...) Und die Serie der Enthüllungen geht weiter. Gerade legte das 'US-War College', die Denkfabrik der eigenen Armee, eine offizielle Studie vor und nennt darin den Saddam-Feldzug 'überflüssig'".

Eine Reihe Kommentare beschäftigt sich mit der jüngsten Wende in der deutschen Steuerdebatte. Übereinstimmend heißt es darin, die Berliner Politiker habe nach dem Kompromiss im Vermittlungs- ausschuss und den wohltönenden Ankündigungen zur Jahreswende rasch der Mut verlassen.

Die Zeitung DIE WELT rechnet ab mit den Spitzen der CDU:

"Was ist geschehen, dass der Unions-Finanzexperte Friedrich Merz nun wie ein Ritter von trauriger Gestalt wirkt und von seinem eigenen Steuersenkungsmodell Abstand nimmt? Hat er sich verrechnet? War alles nur ein Scherz? Wir sind gerade in der vierten Woche des neuen Jahres, und schon glaubt die Oppositionschefin Angela Merkel nicht mehr an eine weit reichende Steuerreform in 2004. (...) Nur weil Rot-Grün nicht gleich Hurra schreit und auch die CSU kleiner rechnet? Leider wird mit dieser Negativprognose Merkels die innovative Sprengkraft, die im Thema radikale Steuersenkung steckt, zurückgenommen."

"Politik zum Abgewöhnen", titeln die STUTTGARTER NACHRICHTEN:

"Um die eigene Verzagtheit zu vertuschen, wird dem politischen Gegner die Schuld fürs eigene Nichtstun zugeschoben. (...) CDU- Chefin Merkel scheint jetzt der Mut verlassen zu haben. Sie sieht sich offensichtlich nicht in der Lage, die eigenen Reihen zu schließen. (...) Die Lage ist zu ernst, als dass die Politiker die Steuerreform bis auf den St.-Nimmerleins-Tag verschieben könnten."

Die RHEIN-ZEITUNG vermutet taktische Überlegungen der CDU-Chefin im Wahljahr 2004:

"Das Bierdeckel-Modell von Merz nimmt seine Einfachheit vor allem daraus, dass es die Möglichkeiten eines Arbeitnehmers, seine Aufwendungen geltend zu machen, weitgehend streicht, während sich für Freiberufler und Selbstständige nicht allzu viel ändert. Eine solche Schieflage aber wird bei den Bürgern nicht gut ankommen."

"War das bereits alles?", fragt enttäuscht auch die OSTSEE-ZEITUNG:

"Warum eigentlich die Aufregung über unterschiedliche Pläne von CDU und CSU, wenn am Ende doch nichts passieren wird? Politiker, die hoch pokern und die Erwartungen schießen lassen, sich dann aber klammheimlich davon stehlen, sind in Wirklichkiet hasenfüßige Kleingeister. Das Ziel, durch weitere Steuersenkungen der schwachen Konjunktur Luft unter die Flügel zu pumpen, war offenbar nur Geschwätz".

Zusammengestellt von Siegfried Scheithauer.