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Pressestimmen von Montag, 19. November 2001

20. November 2001

Themen: Die fortdauernde Krise der rot-grünen Bundesregierung; Der bevorstehende Bundeswehreinsatz im Afghanistan-Krieg.

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Vor dem Bundesparteitag der SPD, der an diesem Montag in Nürnberg beginnt, konzentrieren sich die Kommentatoren noch einmal auf die angespannte Situation in der Regierungskoalition. Weiteres Thema ist der bevorstehende Bundeswehreinsatz im Anti-Terror-Krieg.

Aber zunächst zur innerparteilichen Situation der Grünen. Die "Westdeutsche Zeitung" schreibt:

"Mehrheitlich sind sie gegen einen Bundeswehreinsatz, aber für den Erhalt der Koalition. Na prima! Wozu gab es denn dann die Abstimmung im Bundestag, die Verknüpfung der Sach- mit der Vertrauensfrage? Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass, so möchte ganz offensichtlich die Mehrheit der Öko-Partei weiter Politik machen. Schröder und seine SPD werden aber spätenstens ab heute beim Parteitag in Nürnberg den kleinen Koalitionspartner deutlich machen, dass es so nicht geht."

Die "Deister- und Weserzeitung" befürchtet angesichts der Regierungsquerelen einen internationalen Ansehensverlust:

"Mag der SPD-Generalsekretär diesen Parteitag auch als festliche Selbstdarstellung der angeblich erfolgreichen Regierungspartei und als noch feierlichere Huldigungsorgie für den starken Vorsitzenden und Kanzler inszeniert haben, mögen daher auch nur wenige Aufmüpfigkeiten oder Selbstzweifel zu vernehmen sein, so gibt das Echo auf die Vertrauensabstimmung dem Kanzler vielleicht doch zu denken. Vor allem in den USA ist der auf dem Rücken des gesamten Parlaments ausgetragene Konflikt sehr wohl beachtet worden - mit dem verhängnisvollen Effekt, dass die Deutschen in den Verruf egoistischer, unsicherer Kantonisten geraten sind."

Ganz anders der "Bonner General-Anzeiger". Dieser sieht Bundeskanzler Gerhard Schröder auf dem Höhepunkt seiner Macht:

"Seine Popularitätswerte sind anhaltend hoch. In den Umfragen liegt seine Partei weit vor der Union. Schröder gilt für die Menschen als Bundeskanzler, der - in Zeiten wie diesen ein unschätzbarer Wert - Sicherheit repräsentiert. Die SPD wird vor diesem Hintergrund mit dem Bundesparteitag die günstige Stimmung nutzen und die Frühphase des Bundestagswahlkampfes eröffnen."

Zu einem anderen Thema: Auch der Einsatz der Bundeswehr ist bei den politischen Kommentatoren umstritten. Das "Handelsblatt" bescheinigt dem Bundeskanzler mangelnde Souveränität:

"Schröder wirkt wie ein Getriebener, nicht aber wie ein Staatenlenker, der die Richtung vorgibt. Schröder will die Bundeswehr künftig überall dahin schicken, wo die USA es wünschen - aber nur dann, wenn es die betroffenen Regierungen dulden. Mit dieser widersprüchlichen Lösung ist niemandem geholfen: weder den Alliierten, die immer noch nicht wissen, wo Deutschland einsatzbereit wäre, noch dem Bundestag, der nicht sicher sein kann, wohin die deutschen Soldaten ziehen. Souverän wäre es gewesen, von vorneherein Ziele und Mittel des deutschen Militäreinsatzes zu definieren, statt sich von Dritten abhängig zu machen. Doch diese Souveränität, die in Großbritannien oder Frankreich selbstverständlich ist, muss Deutschland wohl erst noch lernen."

Die "Märkische Oderzeitung" wundert sich über Ankündigungen des Verteidigungsministers:

"Per Sonntagszeitung hat Scharping der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass der Einsatz deutscher Soldaten im Afghanistan-Krieg unmittelbar bevorsteht. Bei Regierungschef Schröder hatte sich das am Freitag im Bundestag noch wesentlich zurückhaltender angehört. Weiß also Scharping wieder einmal nicht, worüber er redet? Oder weiß er es doch, und der Kanzler hat in der Debatte den Ernst der Lage heruntergespielt? Schröder war es ja, der nicht oft genug betonen konnte, zunächst gehe es nur um die Bereitstellung von 3.900 Soldaten für den Kriegseinsatz. Möglicherweise geht es aber bald um noch weit mehr. Wenn zutrifft, dass UN und USA eine weit über das jetzige Kontingent hinausgehende Beteiligung der Bundeswehr an einer
multilateralen Friedenstruppe in Afghanistan erwarten, kommen neue
Zerreißproben auf Rot-Grün zu."

Der "Wiesbadener Kurier" bezweifelt hingegen Äußerungen über einen größeren Blauhelm-Einsatz deutscher Soldaten:

"Für unnötige Verwirrung sorgen freilich Unkenrufe, wonach auch die vom Bundestag gebilligte Truppenstärke von 3.900 Mann schon bald Makulatur sei. (...)Selbst wenn die UN nach dem Ende des Krieges eine 30.000-Mann-Friedenstruppe aufstellen sollten, ist nicht ersichtlich, warum Deutschland dann mit einem Großaufgebot beteiligt sein sollte. Wenn das Land schon mit Truppen von außen befriedet werden muss, dann gebietet es die politische Vernunft, hierfür schwerpunktmäßig Soldaten aus islamischen Ländern heranzuziehen."