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Pressestimmen von Montag, 2. April 2007

Gerd Winkelmann1. April 2007

Die Kanzlerin im Nahen Osten / Kritik am Aufbau Ost

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Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht durch das verstärkte Engagement der gemäßigten arabischen Länder neue Hoffnung für den Nahen Osten. Die Dinge seien in Bewegung, sagte sie bei Gesprächen mit Israelis und Palästinensern in Jerusalem und Ramallah. Die Kommentatoren der deutschen Tagespresse sehen Merkels Rolle als bescheiden an:

So schreibt etwa die KÖLNISCHE RUNDSCHAU:

'Friedenssondierungen im eigentlichen Sinne sind es nicht, die Merkel in die Region geführt haben. Sie sucht nach Möglichkeiten, wie das so genannte Nahost-Quartett aus USA, Russland, den Vereinten Nationen und der Europäischen Union seinen lange liegen gebliebenen Vermittlungsprozess mit neuem Leben erfüllen könnte. Man ist bescheiden, man ist realistisch, man kennt das Störpotenzial, das jede Initiative schnell wieder zunichte machen kann. Merkel hat sich nach ihren ersten Gesprächen hoffnungsvoll geäußert, weil die Wellenbewegung in Palästina gerade mal wieder nach oben zeigt. Ein Durchbruch aber, der diesen Namen verdient, ist noch lange nicht in Sicht.'

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG analysiert wie folgt:

'Mit ihrer Nahost-Reise verfolgt die Bundeskanzlerin nach eigenem Bekunden zwei Ziele: Sie will sich ein Bild von der Lage machen und dem Friedensprozess einen neuen Anstoß geben. (...) Was die Wiederbelebung des Friedensprozesses angeht, droht die Reise freilich zu scheitern. In einem Augenblick, da die arabische Welt ihr umfassendes Friedensangebot an Israel erneuert hat (...), zögert die Bundeskanzlerin mit der Kontaktaufnahme bei den Palästinensern allzu sehr. (...) Sie hätte sich nichts vergeben, wenn sie durch einen ungewöhnlichen, mutigen Schritt auf die palästinensische Seite zu versucht hätte, Wandlungsmöglichkeiten der palästinensischen Politik auszutesten und für die Europäer den Vorreiter zu spielen. Dies wäre - in des Wortes doppelter Bedeutung - ein wirklicher Anstoß gewesen.'

In der BERLINER ZEITUNG lesen wir:

'Der saudische König Abdullah bleibt, auch wenn er sich von Washington distanziert, von den USA abhängig, genauso wie Israel und Angela Merkel, die wenig bewegen kann. Die USA aber haben seit dem Amtsantritt von Bush eine katastrophale Nahostpolitik betrieben. Im Israel-Palästina-Konflikt haben sie, auch im falsch verstandenen Interesse Israels, nur auf Zeitgewinn gespielt; (...) Da der gordische Knoten Nahost nicht mit Gewalt zerschlagen werden kann, bleiben nur Verhandlungen übrig und zwar ohne Vorbedingungen, auch ohne die, an die sich Angela Merkel hält: nicht mit der Hamas zu reden. Die Initiative dazu kann nur aus Washington kommen und muss wohl auf die Zeit nach Bush warten.'

Zu guter Letzt noch ein Blick in die STUTTGARTER ZEITUNG:

'Israeli und Palästinenser müssen schmerzhafte Kompromisse eingehen. Aber das Prinzip Land gegen Frieden ist vernünftig. Wenn die Palästinenser die Existenz Israels anerkennen und die Araber ihren Frieden mit dem jüdischen Staat machen, dann müssen die israelischen Siedlungen im Westjordanland ebenso wie die Golanhöhen geräumt werden. Israeli wie Palästinenser müssen und können jetzt aller Welt zeigen, dass sie Frieden wollen.'

Themenwechsel: Angesichts zum Teil desolater Zustände von Straßen und öffentlichen Gebäuden in den alten Bundesländern haben Politiker ihre Forderung nach einem Aufbau West wiederholt. Zugleich stellten sie den Solidarpakt in Frage. Die gesamte Ost-Förderung müsse neu überdacht werden, fordert Hannelore Kraft, SPD-Chefin in Nordrhein-Westfalen. Deutschlands Tagespresse kommentiert das folgendermaßen:

Hier das STRAUBINGER TAGBLATT:

'Was sich dabei langsam zum Skandal auswächst, ist die Tatsache, dass viele Westgemeinden ihre Solidar-Verpflichtungen erfüllen können, indem sie Kredite aufnehmen. Die teilweise verlotterten Ruhrgebietsstädte finanzieren Boom-Town Dresden. Sinnfälliger, als es die NRW-SPD-Chefin Hannelore Kraft mit diesem Vergleich getan hat, lässt sich die Fehlentwicklung nicht mehr abbilden. Dass es im Osten natürlich auch Problemregionen gibt, ändert daran nichts, denn die gibt es genauso in den alten Bundesländern.'

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN sind folgender Meinung:

'In ostdeutschen Ländern macht ein Witz die Runde. Sagt ein Vater in Sachsen zu seinem Sohn: Wir fahren mal nach Nordbayern und schauen uns dort an, wie die Straßen bei uns früher ausgesehen haben. Im Westen bleibt da so manchem Bürgermeister und Ministerpräsidenten las Lachen im Hals stecken. Denn längst gibt es im vereinten Deutschland eine verkehrte Welt, wenn es um solidarische Zahlungen geht: Der Osten ist schicker. (...) Daher gehört der Verteilerschlüssel auf den Müll der Geschichte, nach dem Milliarden nach Windrichtung, nicht aber nach Bedürftigkeit verteilt werden. Es muss Schluss sein, den Abbau West abzunicken, um den Aufbau Ost zu bezahlen.'

Auch der SCHWARZWÄLDER BOTE kann nicht umhin zu schreiben:

'Die Ost-Länder können nicht auf ewig am Tropf des Westens hängen. Das fördert nur die Mentalität, sich nicht selbst anzustrengen. Bis 2019 allerdings fließt das Geld; was vereinbart wurde, muss gelten. Und wenn der Solidarpakt ausläuft, stellt sich auch die Frage nach Abschaffung des Solidaritätszuschlags, der uns einst als befristete Last verkauft wurde.'

Naturgemäß anders beurteilt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG den Vorstoß aus dem Westen.

'Macht die West-SPD mangels anderer Themen jetzt mit einer unsäglichen Neid-Debatte Front gegen den Osten? Es ist völlig unseriös, arme Kommunen im Ruhrgebiet mit Dresden und Potsdam zu vergleichen. Warum nicht mit Hoyerswerda und Guben? Viele Mängel, die jetzt beklagt werden, haben nichts mit dem Solidarpakt zu tun, sondern sind Folge einer wenig vorausschauenden Struktur- und Investitionspolitik. So werden etwa topsanierte Kasernen im Osten geschlossen, während marode Einrichtungen im Westen erhalten bleiben. Niemand bestreitet, dass auch im Westen Straßen saniert und schwache Regionen gefördert werden müssen. Aber das darf nicht auf dem Rücken des Ostens passieren.'