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Pressestimmen von Montag, 2. Mai 2005

zusammengestellt von Barbara Zwirner2. Mai 2005

Tag der Arbeit / 1. Jahrestag der EU-Erweiterung

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Die Kundgebungen zum 1. Mai standen in diesem Jahr im Zeichen der von SPD-Chef Franz Müntefering angestoßenen Kaptalismus-Debatte. Die Kommentatoren der deutschen Tagespresse greifen daneben als Thema auch den 1. Jahrestag der EU-Erweiterung auf.

Zum Tag der Arbeit schreibt die FULDAER ZEITUNG:

"Eigentlich sollen am 1. Mai die Errungenschaften der Arbeitnehmer gefeiert werden. Der Großteil der Deutschen betrachtet diesen Tag aber immer mehr als einen zusätzlichen freien Tag im Jahr. Ein Tag, an dem mit guten Freunden gegrillt, oder aber beim obligatorischen Maiausflug mit der Familie mal die Natur genossen wird. Aber nur die wenigsten denken tatsächlich an die einst hart erkämpften Rechte der arbeitenden Klasse. Gutes Wetter scheint für die meisten das Wichtigste zu sein. Darüber täuschen auch die zahlreichen Kundgebungen in vielen Deutschen Städten nicht hinweg."

Die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld meint hingegen:

"Sicher, das Wetter war schön am gestrigen 1. Mai. Allein der Sonnenschein wirds aber nicht gewesen sein, der am 'Tag der Arbeit' mehr Menschen als in Vorjahren zu den Kundgebungen lockte. Die Bürgerinnen und Bürger werden wieder politischer. Der Grund dafür, die sich weiter öffnende Schere zwischen Besitzenden und sozial Schwachen, mahnt zu Aufmerksamkeit. Es hebt eine Wertedebatte an in unserer Gesellschaft. Viele wollen dabei mitmachen. Das ist gut so."

Im KÖLNER STADT-ANZEIGER lesen wir:

"DGB-Chef Michael Sommer und manch andere Gewerkschafter auf den traditionellen Kundgebungen zum 'Tag der Arbeit' haben es sich in diesem Jahr zu leicht gemacht. Allein scheinbar skrupellose Manager für die Arbeitslosigkeit verantwortlich zu machen, das geht gewaltig an den Realitäten vorbei. Verantwortung für Arbeitslosigkeit tragen auch Gewerkschafter und Politiker. Der DGB hätte die Mai- Kundgebungen besser dafür genutzt, eigene Vorschläge für mehr Beschäftigung vorzulegen statt in erster Linie andere zu kritisieren."

Das MINDENER TAGEBLATT merkt ähnlich kritisch an:

"Dass auch die Gewerkschaften Müntes Steilvorlage zum Tag der Arbeit dankbar aufnahmen, war nur allzu logisch. Auch sie denken lieber nicht so gern darüber nach, was ihre gnadenlos und einträchtig mit den Arbeitgebern durchgezogene Kartellpolitik zugunsten der Arbeitsplatzbesitzer an Verheerungen auf dem Arbeitsmarkt angerichtet hat - öffentlich schon gar nicht."

Und die FRANKFURTER RUNDSCHAU resümiert:

"In diesem Jahr konnte der 1. Mai kein besonderer Tag sein. Die extra scharfe Polarisierung, die auffallend wuchtige Wortwahl, die für diesen Tag aufgesparten starken Ausschläge auf der Skala der Empörung - all das, was den Tag der Arbeit in vergangenen Jahren markierte, das alles diskutieren wir sehr ernsthaft und alltäglich seit Monaten: Gierige Manager und erpresserische Unternehmen; hohe Gewinne und Massenentlassungen. Und dem setzte Franz Müntefering vor zwei Wochen noch seine grundsätzlich klingende - aber nicht so gemeinte - Kapitalismus-Kritik oben drauf. Heuschrecken sind nicht zu toppen. Wann beginnt der 2. Mai, an dem über die andere Politik und deren Umsetzung gesprochen wird?"

Un damit zu einer ersten Bilanz der EU-Erweiterung vor einem Jahr. Dazu meint die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG:

"Ein Jahr nach der EU-Erweiterung sind in Ost und West viele hohe Erwartungen verflogen. Dennoch wäre es falsch von 'Ernüchterung' zu sprechen, wo doch nur 'Normalisierung' gemeint ist. Die wirtschaftliche Bilanz, die gezogen werden kann, ist auch aus deutscher Sicht positiver, als es die augenblickliche Diskussion über Entsende-Richtlinie und Schwarzarbeit vermuten ließe. Schon seit Jahren exportiert Deutschland nach Osteuropa etwa so viel wie in die USA. Tendenz steigend. Tschechen, Polen und Ungarn, die zu mehr Wohlstand kommen, werden ihr Geld auch eher in Deutschland ausgeben als der aufblühende Mittelstand in Indien oder China."

Die STUTTGARTER ZEITUNG ist wenig optimistisch:

"Ein Jahr nach ihrer Osterweiterung droht der Europäischen Union eine der schwersten Krisen seit ihrer Gründung vor fast fünfzig Jahren. Bundestag und Bundesrat werden die EU-Verfassung zwar noch diesem Monat ratifizieren. Dennoch bleibt zweifelhaft, ob das deutsche Beispiel die Mehrheit der Franzosen dazu bringen wird, in einem Meinungsumschwung in letzter Minute dem Verfassungsvertrag doch noch zuzustimmen. Wenn die Volksbefragung im EU-Kernland Frankreich scheitern sollte, dann droht Europa für lange Zeit Lähmung, politische Stagnation und Resignation."