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Pressestimmen von Montag, 20. September 2004

Christina Pannhausen 19. September 2004

Das Ergebnis der Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen ist an diesem Montag das zentrale Thema in den Kommentaren der deutschen Tageszeitungen.

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Die STUTTGARTER ZEITUNG konstatiert:

"Die Stimmenfänger am linken und am rechten Rand des politischen Spektrums hatten es bei diesen beiden Wahlen besonders leicht. Mit nahezu wortgleichen Parolen schürten und nutzten sie die diffusen wirtschaftlichen Ängste und die Wut der Enttäuschten und Protestwähler. Hartz IV ist dafür zum Sammelbegriff und zur Chiffre geworden. In Ostdeutschland, auch das zeigen die Wahlergebnisse, haben es Protestparteien besonders leicht."

Die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt ordnet das Wahlergebnis folgendermaßen ein:

"Jeder, den man zu nahe bei den Befürwortern von Hartz IV wähnte, sei er nun SDP- oder CDU-Mann, bekam gestern eins drauf. Der Osten zeigte sich erneut an den weit ausgefransten politischen Rändern als demokratieunreif. Während in Thüringen Neonazis nicht einmal den Hauch einer Chance hatten, sitzt eine offen rassistische Partei künftig im Dresdner Parlament. Die Tagesform und Laune des Wählers entscheiden wie ein Land künftig über Jahre regiert wird. Das ist keine beruhigende Perspektive."

Rückenwind für die SPD erkennt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder:

"Da der Wahlkampf in Brandenburg ganz und gar auf die Bundespolitik zugeschnitten war - 'Hartz IV' überdeckte jegliches landespolitische Thema - werden die Strategen im Willy Brand-Haus bei allen Verlusten ihre Freude an dem Ergebnis haben und eine Trendwende erkennen. Auf jeden Fall aber scheint klar zu sein, dass die Wähler inzwischen nicht nur die SPD wegen 'Hartz IV' abstrafen, sondern der CDU die Mitverantwortung für diese Reform in Rechnung stellen."

Ähnlich sieht es der KÖLNER STADT-ANZEIGER:

"Deutschland stabilisiert sich langsam nach den Erregungen der vergangenen Wochen. Der Kanzler wiederum kann mit den Wahlergebnissen gut leben. Der Druck aus der SPD wird kaum zunehmen. Er wird seinen Reformkurs fortsetzen und darf damit rechnen, dass die Zustimmung für Kurs und Person langsam wächst. In der Union werden die schweren Verluste dagegen die anhaltenden inneren Spannungen verschärfen. Ein Teil der Konflikte, die die SPD schmerzhaft austrägt, steht der CDU noch bevor. Manchem Christdemokraten wird erst jetzt klar, was er auf dem letzten Parteitag beschlossen hat."

Die BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG sieht durch die Wahlergebnisse nicht nur die CDU in der Kritik:

"Offenbar ist die Abneigung der ostdeutschen Wähler gegenüber den Volksparteien mittlerweile so groß, dass sie lieber unsinnig wählen als SPD oder CDU. So ist der Erfolg der Rechten vor allem eine Warnung an die Volksparteien. Und er ist eine Warnung an FDP und Grüne, die kaum von der Schwäche der Großen profitiert haben."

Die AUGSBURGER ALLGEMEINE schreibt:

"Wer vom Westen nach Osten blickt, glaubt, auf ein anderes Land zu schauen. Der Westen, dessen Freiheit sich nicht als Wohlstandsgarantie entpuppte, soll zahlen. Er tut es nicht nur mit Geld: Die großen Westparteien zahlen, indem sie sich von den Wählern des Ostens demütigen lassen. Immer mühsamer müssen sie sich ihre knapper werdenden Regierungsmehrheiten basteln. Und frustriert müssen sie zuschauen, wie es sich die PDS als regionale Volkspartei von Mal zu Mal gemütlicher in den Ländern einrichtet, in denen ihre Vorgängerin SED einst mit brutaler Hand herrschte."

Abschließend analysiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München: "Wenn die Parteien eine Lehre aus dem Politikverdruss Ost auf keinen Fall ziehen sollten, dann wäre es die, vom Kurs der Standhaftigkeit abzuweichen. Die Reformen zu verwässern, mehr Lafontaine, also wieder mehr Fürsorgestaat zu wagen. Ihre Aufgabe wäre vielmehr, noch klarer zu sagen, was der Staat im Osten leisten kann und was nicht. Ihr Job wäre es, den Reformen auch eine Öffnung der Arbeitsmärkte folgen zu lassen, ohne die Hartz IV nicht funktionieren kann: Wo es keine Arbeit gibt, lässt sich auch mit Druck auf die Arbeitslosen wenig erreichen."