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Pressestimmen von Montag, 21. Juli 2003

zusammengestellt von Herbert Peckmann. 21. Juli 2003

CSU-Parteitag zeigt sich geschlossen /Britischer Premierminister Blair wegen Kelly-Affäre unter Druck

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Der CSU-Parteitag, die Diskussion um eine gemeinsame Linie in der Union und der zunehmende Druck auf den britischen Premierminister Tony Blair wegen der Kelly-Affäre sind herausragende Kommentarthemen in den deutschen Tageszeitungen.

Zum CSU-Parteitag meint die BERLINER ZEITUNG:

"Für Stoiber ist der Parteitag nach Wunsch verlaufen. Die CSU hat sich so geschlossen präsentiert, wie es die Vernunft und die Parteiräson vor Wahlen gebieten. In der nur leicht veränderten Führungsriege ist niemand zu sehen, der eine vergleichbare Autorität wie Stoiber besitzt und ihn in nächster Zeit beerben könnte. Und doch ist die in der Frankenhalle vorgespielte Harmonie trügerisch. Dort war Theo Waigel nahezu isoliert. Stoiber hat seinen Amtsvorgänger und Widersacher einfach ignoriert. Aber dessen kritischer Befund über die mangelnde Erneuerungsfähigkeit der CSU wirken an der Basis wie Juckreiz."

Die STUTTGARTER ZEITUNG erwartet einen Umbau der CSU:

"Bayern wird künftig mehr kämpfen müssen, und der CSU selbst steht ein Umbau bevor wie selten. Die Herausforderungen, vielleicht sogar Schwierigkeiten, wurden in Nürnberg nur am Rande erwähnt. Dabei ist es Edmund Stoiber selbst gewesen, der im Frühjahr in aller Deutlichkeit vor ihnen warnte - mit teilweise radikalen Reformforderungen, verpackt in den 'Sanierungsplan für Deutschland'."

Die Chancen einer innerparteilichen Auseinandersetzung betont die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG:

"Die CSU ist eine so breit gelagerte Volkspartei, dass sie viele Diskussionen innerhalb der Gesellschaft zuerst einmal auch in ihren eigenen Reihen austragen muss. Findet sie dann eine einheitliche Linie, kann sie fast sicher sein, auch eine Mehrheit der Bürger zu überzeugen. Da die Partei noch dazu von einer unbändigen Lust am Regieren geprägt ist, diszipliniert sie sich selbst. Der Wunsch nach der absoluten Mehrheit erzwingt politische Vernunft."

Die SAARBRÜCKER ZEITUNG kommentiert die Auswirkungen des CSU-Parteitags auf die gesamte Union. Dort heißt es:

"Für die Stimmungslage in Deutschland ist das bayrische Schauspiel zwischen Selbstbeweihräucherung und Harmonie-Stadel weniger prägend. Auch wenn sich die Vorsitzenden von CDU und CSU wie ein Tandem zeigen, zwischen das kein Blatt Papier passt, sind die Unstimmigkeiten in der Union um den Kurs bei der Steuer- und Gesundheitsreform unverkennbar. Der Hesse Roland Koch oder der Saarländer Peter Müller trüben die Idylle aus Bayern gewaltig."

Themenwechsel. Der zunehmende innenpolitische Druck auf den britischen Premierminister Tony Blair nach dem Selbstmord des angesehenen Experten für bakteriologische Kriegsführung, David Kelly, beschäftigt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

"Solange im Irak keine Massenvernichtungswaffen gefunden werden - und es sieht immer weniger so aus, als ob dies noch geschehen könne - , bleibt der britische Premierminister dem Vorwurf ausgesetzt, er habe das Unterhaus belogen: unwissentlich, falls für falsche Zuspitzungen seine Mitarbeiter verantwortlich waren, womöglich aber auch bewusst. Die Art und Weise, wie Blairs Regierung nun versucht hat, davon abzulenken, indem der Waffenfachmann Kelly zum Sündenbock hergerichtet wurde, ist deshalb auch nicht mit dem Verweis auf übliche Tricks der politischen Information und Kommunikation abzutun."

Für DIE WELT gehört Kellys Tod zu - Zitat:

"...jenem Tableau aus Krisen und unerfüllten oder irreführenden Versprechungen, die wie eine Ahnung vom Scheitern seit längerem schon das Blair-Projekt überschatten. An erster Stelle der Irak-Krieg und seine Folgen sowie seine Vorgeschichte. ... Dazu die massive Kontroverse um die Frage, ob die Downing Street die Öffentlichkeit mit ungesicherten Informationen über die irakischen Massenvernichtungswaffen getäuscht habe, um das Land leichter in den Krieg führen zu können."

Schließlich die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus, die von einer menschlichen Tragödie spricht:

"Der Mann, offenbar fachlich exzellent, aber mit den politischen Zeitbomben seiner Arbeit überfordert, wurde gnadenlos instrumentalisiert. Von den Befürwortern des Irak-Krieges, die Kellys Erkenntnisse aufbauschten, um so einen Grund für den Waffengang zu bekommen. Und auch von den Gegnern des Krieges, die dieses Verhalten der Blair-Regierung zwar zu Recht aufdeckten und kritisierten, dabei aber auch bereit waren, im wahrsten Wortsinn über Leichen zu gehen."