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Pressestimmen von Montag, 21. März 2005

Michael Wehling20. März 2005

Politische Lage nach dem Scheitern von Heide Simonis / Pläne für UN-Reform

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Zentrales Thema der Kommentare in den deutschen Tageszeitungen ist an diesem Montag die innenpolitische Lage in Deutschland nach der gescheiterten Wiederwahl von SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis in Kiel. Beachtung finden auch die Pläne von UN-Generalsekretär Kofi Annan zur Reform der Vereinten Nationen.

Zunächst zur deutschen Innenpolitik nach den Vorgängen in Kiel. Die BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG analysiert die Lage:

'Für Rot-Grün gilt es nun, als letzte Bastion vor der Bundestagswahl Nordrhein-Westfalen zu halten. Bei einer Niederlage in Düsseldorf wartet in Berlin eine Regierung auf Abruf. Was kommt danach? Eine große Koalition könnte ein Not-Bündnis sein, um Vertrauen zu schaffen und gemeinsam Reformen in Gang zu setzen - zeitlich begrenzt und vereint gegen Druck und Widerstand von Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, Sozialverbänden, Steuerzahlerbund. Gelänge dies, könnte das Land gut vorankommen. Möglich ist aber auch das Gegenteil.'

Die in Erfurt erscheinende THÜRINGER ALLGEMEINE fragt:

'Eine große Koalition in Kiel als Modellfall für Deutschland? Das scheint doch reichlich übertrieben. Ohnehin dürfte sich die ganze Debatte spätestens im Mai mit der Wahl in Nordrhein-Westfalen erledigt haben. Es sind zwar noch einige Wochen bis dahin, doch Vieles spricht bereits dafür, dass die Sozialdemokraten ihre politische Urheimat an die Union abtreten. Dann ist der Weg nach Berlin für Angela Merkel frei.'

Ähnlich sieht dies die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg:

'Vorausgesetzt, Schröder wirft nicht frustriert hin, und Fischer scheitert nicht an der Visa-Affäre, dann sprechen vor allem die Interessen der Union vehement gegen eine Große Koalition. Denn mit ihrer Bundesratsmehrheit, die bei einem Wechsel in Düsseldorf noch wachsen würde, könnte sie im Falle eines Wahlsieges 2006 ihr Sanierungskonzept fast unbehindert durchziehen.'

Zur Lage in der rot-grünen Koalition in Berlin schreibt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.

'Franz Müntefering hat die Ärmelschoner abgelegt. Der SPD-Chef, der öffentlich kein Freund der Abteilung Attacke ist, greift den kleinen Regierungspartner an. ... Die Aufforderung, im Koalitionsalltag des Bundes wieder eine größere Dynamik zu entfalten, ist ein subtiler Hinweis auf den Frust der Genossen. Dass die Grünen trotz Mitverantwortung für wirtschaftliche Lethargie, fehlendem Erfolg von Hartz IV und der Visa-Affäre im aktuellen Politbarometer wieder um einen Prozentpunkt zulegen konnten, sorgt innerhalb der SPD immer mehr für Verbitterung.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München merkt an:

'... in der von Schröder und Fischer geführten Koalition hat sich der Ton verschärft, befördert durch die Visa-Politik, befördert zudem durch das Anti-Diskriminierungsgesetz, ein grünes Herzensanliegen, das vielen Genossen zuwider ist, weil es ihrer Ansicht nach Arbeitsplätze gefährdet. Solche Zwistigkeiten hat es immer wieder gegeben. Nach dem Debakel von Kiel fallen sie nun besonders auf. Doch für den Wahlausgang 2006 bedeuten sie wenig. Denn die politische Stimmung im Land wechselt derzeit im Halbjahrestakt. Binnen kurzer Zeit ... kann alles kippen. Auch in die andere Richtung.'

Der in Berlin herausgegebene TAGESSPIEGEL sieht die Chancen für die Umsetzung der Beschlüsse des so genannten Job-Gipfels pessimistisch.

'Nach dem Gipfelsturm haben sich die Kletterer in ihre Basislager zurückgezogen. Sherpas brauchen sie nicht. Was jetzt kommt, können sie alleine: Beklagen, was die andere Seite schuldig bleibt, am liebsten - die Gegenfinanzierung. Politisches Kalkül ist ihnen wichtiger als politischer Fortschritt. Erfolg kann nämlich gefährlich werden, wenn der andere ihn für sich reklamiert.'

Abschließend ein Blick in die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG. Das Blatt schreibt zu den Plänen für eine Reform der UN:

'Wenn es die Vereinten Nationen nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Andererseits werden die real existierenden UN ihrem Anspruch nicht gerecht. Also ist es an der Zeit, die Vereinten Nationen neu zu erfinden. ... UN-Generalsekretär Kofi Annan unternimmt nun einen neuen, vielleicht den letzten möglichen Versuch, die UN endlich zu dem zu machen, das ihre Gründerväter und -mütter in ihr sehen wollten. Sein 63-seitiger Report ... enthält keine grundlegend neuen Ideen, sondern versucht geschickt zusammenzubringen, worauf sich die notwendige Mehrheit der Mitgliedsstaaten einigen könnte. Wenn das gelänge, wäre es ein Meisterstück - ganz gleich, ob Deutschland dabei ein Dauerplatz im Sicherheitsrat zufällt oder nicht.'