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Pressestimmen von Montag, 22. April 2002

zusammengestellt von Ulrike Quast22. April 2002

Regierungswechsel in Sachsen-Anhalt

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Das Thema der Kommentare in der deutschen Tagespresse ist der Ausgang der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, aus der die Christdemokraten als klarer Sieger hervorgegangen sind. Die Sozialdemokraten rutschten auf den dritten Platz noch hinter der PDS.

Die B.Z. aus Berlin schreibt:

'Nein, Herr Müntefering, dass war kein regionales Wahlergebnis. Das war eine schallende Ohrfeige für die Politik der rot-grünen Bundes- Regierung in Berlin - ein klares Signal für die Bundestagswahlen im Herbst. Sachsen-Anhalt ist zurzeit nämlich nicht mehr und nicht weniger als die Bundesrepublik im Kleinen. Ist Deutschland Schlusslicht in Europa, so weist Sachsen-Anhalt das geringste Wachstum in Deutschland auf. Hohe Arbeitslosigkeit, niedrige Investitionsraten, hohe Kosten und jede Menge Bürokratie! Sozialisten haben dagegen, zumal wenn sie mit Kommunisten zusammen regieren, noch nie ein Rezept gehabt. Die Wähler in Sachsen-Anhalt haben das begriffen.'


Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München meint hingegen:

'Wenn es für die SPD nach dem Desaster einen bescheidenen Trost gibt, dann den, dass die Bedeutung dieser Wahl als großer Stimmungstest für die Bundestagswahl ein wenig überschätzt sein dürfte. Die Apathie, die über dem Wahlkampf lag und sich in einer bestürzend niedrigen Wahlbeteiligung widerspiegelt, ist ein sachsen-anhaltinisches Spezifikum; ein Schock für Rot-Grün bleibt das Wahlergebnis gleichwohl.'

Der WESTFÄLISCHE ANZEIGER aus Hamm merkt an:

'Dass die Sieger nun auch von einem Stimmungstest für die Bundestagswahl sprechen, ist ihr gutes Recht; der Kanzler wird sich entsprechend ärgern. Und doch hat der Magdeburger Erdrutsch mit Blick auf den Herbst nur nachgeordnete Bedeutung. Die Stimmung in Deutschland ist zwar schlecht, aber nicht so katastrophal wie in Sachsen-Anhalt. Der Wille zum Wechsel ist bundesweit bei weitem nicht so ausgeprägt. Und vor allem: Im Herbst werden die Spitzenkandidaten nicht die schwächsten Argumente der großen Machtblöcke sein, sondern die stärksten, die wichtigsten.'

In der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG heißt es:

'Reinhard Höppner hat den Fehler gemacht, sich früh auf ein Regierungsbündnis mit der PDS festzulegen und erst in letzter Minute auch der Großen Koalition eine Chance zu geben. Potenzielle SPD-Wähler, die diese wollen, entschieden sich wahrscheinlich gleich für die CDU. Unter den Befürwortern von Rot-Rot zog die PDS den Großteil der Stimmen auf sich. Die SED-Nachfolger, die durch das 'Magdeburger Modell' entzaubert werden sollten, gingen gestärkt und politisch hoffähig daraus hervor.'


Im Kommentar der STUTTGARTER NACHRICHTEN lesen wir:

'Landtagswahlen sind auch noch dann Momentaufnahmen, wenn der Rückenwind des Bundestrends kräftig in das Wahlergebnis hineinbläst. In fünf Monaten kann noch viel geschehen. Dennoch: Eine derart vernichtende Niederlage - fast eine Halbierung des Wahlergebnisses - hat es bei den Landtagswahlen der letzten Jahre noch nicht gegeben. Historisches Debakel für die SPD: Nicht nur der kraftlose SPD-Ministerpräsident Höppner wurde damit aus dem Amt gefegt. Auch Bundeskanzler Schröder wurde ein miserables Zeugnis ausgestellt. Und so massiv wie sich der Kanzler dort in den Wahlkampf eingemischt hat, führt kein Weg daran vorbei, dies auch als persönliche Niederlage zu werten.'

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kommt zu dem Schluss:

'Am Sonntag hat die Strategie, Schuld für eigene Fehler und Versäumnisse immer bei anderen zu sehen, das Magdeburger Modell wie ein Bumerang pulverisiert. Unter einem Bundeskanzler, der den «Aufbau Ost» zur Chefsache gemacht hat, und nach acht Jahren sozialdemokratischer Politik von Gnaden der SED-Nachfolger erstrahlt das Land (...) nicht im Morgenrot wirtschaftlicher Prosperität, sondern im Rot-Rot des Landes mit der höchsten Staats-, aber der niedrigsten Investitionsquote: das Ergebnis ist die höchste Arbeitslosenquote.'

Abschließend ein Blick in die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt:

'Es denen da oben richtig zu zeigen, scheint alle Wahljahre wieder das beherrschende Leitmotiv im Osten. Mit aller Macht dürfte sich Gerhard Schröder in den kommenden Tagen dagegen stemmen, dass das vorliegende Resultat mehr als ein lokales Ereignis sei. Sicherlich spielt die besondere Situation des von Arbeitslosigkeit stark geprägten Landes eine wichtige Rolle. Doch wenn es stimmt, dass die Bundestagswahl in den neuen Ländern entschieden wird, dann hat der Kanzler ein Problem. Seine Bilanz ist trotz gelegentlicher Ausflüge gerade im Osten dürftig. Da scheint selbst der Umstand, dass Edmund Stoiber dazu auch nichts einfällt, nahezu zweitrangig.'