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Pressestimmen von Montag, 22. August 2005

Annamaria Sigrist21. August 2005

Papst Benedikt XVI. beim Weltjugendtag/ Kritik an Kirchhofs Steuerkonzept

https://p.dw.com/p/74lc

Die Kommentare der deutschen Tageszeitungen befassen sich an diesem Montag vor allem mit zwei Themen: Mit dem Papstbesuch und dem Ende des Weltjugendtages in Köln und mit der unionsinternen Debatte über Paul Kirchhofs vorgeschlagenes Steuerkonzept.

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE schreibt zum Papstbesuch:

"Kondome und Sexualität, die Rolle der Frau oder das Zölibat - diese Themen spielten in Köln keine Rolle. Und das nicht nur, weil Papst und Klerus es nicht wollten. Es schien auch den Bedürfnissen der Jugendlichen selbst entgegenzukommen. Für die meisten Pilger stand in Köln die Gemeinschaft mit gläubigen Altersgenossen aus aller Welt im Vordergrund. Ganz normale junge Leute aus verschiedenen Ländern tanzten, sangen und beteten in den Straßen. Nein, dieser Weltjugendtag war wirklich keine Veranstaltung über die inhaltliche Zukunft der Katholischen Kirche. Aber er hat seine Funktion erfüllt: Er hat Grenzen überwunden und gezeigt, dass Kirche auch Spaß machen kann."

Der WESTFÄLISCHE ANZEIGER stellt fest:

"Einwände gegen Sinn, Zweck und Erfolg des Weltjugendtags ließen sich endlos formulieren. Das Pilgertreffen als 'Weltjubeltag' mit dem Papst als Top-Unterhalter zu verhöhnen, wäre jedoch unfair. Denn abseits der Kameras lag der Schwerpunkt nicht auf Show, sondern auf Begegnung. (...) Wenig ist das in Tagen des weltumspannenden Terrorismus und der moralischen Haltlosigkeit nicht, selbst wenn der Weltfrieden nun nicht in greifbare Nähe rückt und auch die Kirchenbänke kaum voller werden. Die Pilger haben einen Anfang gemacht. Es ist an der Kirche, den Impuls aufzugreifen."

In der STUTTGARTER ZEITUNG lesen wir:

"Schön wäre es gewesen, Benedikt hätte die Gefahr des Personenkults direkt angesprochen. Er verfügt über die rhetorischen Mittel zu bremsen, ohne die Jugendlichen in ihren Emotionen vor den Kopf zu stoßen; die konzentrierte Aufmerksamkeit der Million Zuhörer bei seiner Sonntagspredigt, die ein 'echter Ratzinger' war, belegt dies. Der Papst hätte darauf hinweisen müssen, dass er zwar Führer der katholischen Kirche ist, Hirte und Leitfigur - das alles aber nur als Stellvertreter."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ergänzt:

"Die Probleme der katholischen Kirche werden auch nach dem Weltjugendtag nicht geringer werden. Sie wird in Mitteleuropa weiter Mitglieder verlieren, leere Priesterseminare haben und überalterte Ordensgemeinschaften. Sie wird klären müssen, wie viel Reform und wie viel Bewahrung sie braucht; was sie tun muss, um junge Menschen zu gewinnen. Aber vielleicht ist Benedikt ja verändert zurück nach Rom geflogen, so, wie er am Sonntag mit erkennbar weniger Scheu vor die Menge getreten ist als am Donnerstag. Auch von den Heiligen Drei Königen heißt es: Sie gingen anders zurück, als sie gekommen waren - auf einem anderen Weg und verändert."

Zum nächsten Thema. Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel hat ihren Finanzexperten Paul Kirchhof in die Schranken gewiesen. Einen einheitlichen Einkommenssteuersatz von 25 Prozent, wie von Kirchhof vorgeschlagen, werde es mit der Union nicht geben.

Die HAMBURGER MORGENPOST bemerkt dazu:

"Wäre Merkels Steuer-Experte Kirchhof konsequent - so konsequent, wie sein Steuerkonzept - dann müsste er jetzt den Austritt aus dem Kompetenzteam erklären. Denn das, für was er steht - die radikalste Vereinfachung des deutschen Steuerrechts seit Bestehen der Bundesrepublik - sie wird es vorerst nicht geben. Vermutlich wird es sie nie geben, weil eben auch die Union ein kompliziert gestricktes Konglomerat machtbewusster, sich widersprechender Interessengruppen ist, die sorgsam darauf achten, mühevoll erstrittene Privilegien zu bewahren."

Die FRANKFURTER NEUE PRESSE meint abschließend:

"Welche Chance wird da verschenkt. Welche Mutlosigkeit offenbart hier Merkel. Das Steuerkonzept des ehemaligen Verfassungsrichters könnte so etwas wie eine regulative Idee im kantischen Sinne sein, deren Verwirklichung zumindest angestrebt wird. Wenn die Union gute Ideen ihres Kompetenzteams schon vor der Wahl klein redet, muss man fast fürchten, dass auch bei ihrem Wahlsieg das steuerpolitische Gewurstel weiterginge wie bisher und Merkel von den eigenen Leuten ähnlich ausgebremst würde wie Schröder von der SPD."