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Pressestimmen von Montag, 24. Mai 2004

Christina Pannhausen. 24. Mai 2004

Horst Köhler wird der neue Präsident der Bundesrepublik Deutschland, das ist das beherrschende Thema in den Kommentaren der deutschen Tagespresse.

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Die Zeitung DIE WELT schreibt dazu:

'Angela Merkel ist mit der Durchsetzung Köhlers ein Bravourstück gelungen, an dem natürlich jetzt alle ihren Anteil haben wollen. Aber sie hat sich und ihrer Partei mit Köhler einen Maßstab gesetzt, an dem sie selber in Zukunft gemessen werden. Dieser Präsident ist ein Versprechen auf eine neue, eine bessere Politik, das es erst noch einzulösen gilt. Mit Horst Köhler, seinem Sachverstand und seiner weltläufigen Liberalität werden sich in Zukunft alle vergleichen lassen müssen, die da antreten, dieses Land zu reformieren.'

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU analysiert:

'Es stimmt: Union und FDP sind der politischen Macht wieder einen Schritt näher gekommen. Aber ob aus Angela Merkels Verlegenheitspräsident eine starke, das Land nicht spaltende, sondern zusammenführende Figur wird, ist noch völlig offen. Nun beginnt im bürgerlichen Lager eine Zeit der Weichenstellung. Gerade weil einer an die Spitze des Staates rückt, der dem Volk in Sachen soziale Gerechtigkeit bisher nichts mitzuteilen hat.'

Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus meint hingegen:

'Ein Ökonom auf dem obersten Sessel der Nation, das ist neu. Köhler ließ erkennen, dass er diese fachliche Vorprägung nutzen will, und er tat dies bereits mit seinem Hinweis auf die 'überfälligen Reformen'. Damit spricht er nicht nur jenen aus der Seele, die ihn inthronisiert haben; er bestätigt gleichzeitig auch den Agenda-Kanzler, der sich seit längerem in diesem Sinne bemüht. Köhler bewies aber auch, dass er nicht dogmatisch denkt. Seine 'Sorge um die Arbeitplätze und soziale Sicherheit' erwähnte er ebenso wie den Kindermangel und die Spaltungstendenzen in der Gesellschaft.'

Mahnende Worte findet die WETSDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf:

'Wenn Köhler endgültig vergessen machen will, dass er zunächst Ergebnis eines unwürdigen Geschachers und in sofern auch nur zweite Wahl war, wenn er Präsident aller Deutschen sein will, wie er gestern ankündigte, dann muss sich Köhler aus der Umklammerung der Kanzlerkandidatin in spe Angela Merkel komplett lösen. Die CDU-Chefin wird akzeptieren müssen, dass ein Bundespräsident kein Machtinstrument ist. Nur ein unabhängiger Kopf kann dem Land geistige Führung anbieten.'

Das HANDELSBLATT bemerkt dazu:

'Von seiner Gönnerin Angela Merkel hat Köhler im Kampf gegen die deutsche Lähmung vorläufig wenig zu erwarten. Die CDU-Chefin hat offenkundig kein Interesse daran, der rot-grünen Bundesregierung zu Reformerfolgen verhelfen. Stattdessen tut sie so, als ob mit der Wahl Köhlers die machtpolitische Zeitenwende in Berlin endgültig eingeleitet, die nächste Bundestagswahl quasi schon entschieden sei. Vielleicht freut sich Angela Merkel da doch etwas zu früh. So geschlossen, wie sich die Union zur Zeit präsentiert, ist sie in Wahrheit nicht. Die Bundespräsidentenwahl hat das gezeigt.'

Die BERLINER ZEITUNG sieht das ganz anders:

'Am Tag nach der Wahl Horst Köhlers zum Bundespräsidenten lautet die Frage nicht mehr, ob Angela Merkel die erste Bundeskanzlerin der Republik werden könnte. Die Frage lautet nur noch, wann sie es wird: nach der nächsten Bundestagswahl, oder früher? Sozialdemokraten und Grüne haben gestern eine Abstimmung verloren, weil die SPD zuvor Landtagswahlen in Serie verloren hat. Nur deshalb war die Mehrheit in der Bundesversammlung klar. Schröder und Müntefering müssen sich auf weitere Niederlagen einrichten.'

Zum Schluss mit den RUHR NACHRICHTEN aus Dortmund ein Blick auf die Gegenkandidatin Gesine Schwan:

'Köhler nahm zwar die Hürde des ersten Wahlganges, schrammte mit 50,16 Prozent aber nur äußerst knapp am Hoffnungslauf vorbei. Gesine Schwan hingegen hat sich mehr als respektabel geschlagen und geht trotz der Niederlage gestärkt aus der Kür hervor. Noch nie in der Geschichte war eine Frau in Deutschland dem Ziel so nahe wie die Professorin aus Frankfurt/Oder, erstes weibliches Staatsoberhaupt zu werden. Sie könnte, wenn sie es denn wollte, dem Kabinett Schröders zweifelsohne neuen Glanz verleihen.'