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Pressestimmen von Montag, 26. April 2004

Helmut Schmitz25. April 2004

Zypern-Referendum / Irak-Politik

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Herausragendes Thema der Kommentare in den deutschen Tageszeitungen ist an diesem Montag der Ausgang des Referendums zur Wiedervereinigung der geteilten Mittelmeerinsel Zypern. Kommentiert wird auch die Irakpolitik der USA. Zunächst zu Zypern.

DIE WELT aus Berlin schreibt:

'Der Kater kommt schon vor dem Fest. Jedenfalls hat das ablehnende Votum der Südzyprer zur Wiedervereinigung mit dem türkisch besetzten Norden dem politischen Brüssel jäh die Stimmung verhagelt. Dabei kommt allein die hohe Anzahl der Neinstimmen für den Friedensplan überraschend, der eben nach Meinung vieler Zyprer diesen Namen nicht verdient. Und so fällt der "Schatten", den Vereinigungskommissar Verheugen jetzt über der EU-Erweiterung sieht, auch auf seine eigene Verhandlungsführung.'

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG meint:

'Der Ärger der EU-Granden am selbstbeschworenen "Day After" ist verständlich. Dennoch lassen sich für die Absage eine Reihe berechtigter Gründe anführen. Der nahe liegendste: Annans Zypern- Papier mag das derzeit Mögliche zwischen Ankara, Athen, Brüssel und Washington sein - das für die Zukunft Nötige für die Bevölkerungsmehrheit von immerhin 80 Prozent enthält der Plan mitnichten... Auf Kosovo übertragen hieße die Annan-Initiative schlicht, den Status quo nach der serbischen Vertreibungspolitik festzuschreiben.'

Im MANNHEIMER MORGEN heißt es:

'Hier zeigt sich auch eine problematische Haltung der europäischen Familie: Die Neuen sollen, bitte schön, als Dank für ihre Aufnahme gefälligst auf die Alten hören und keine Schwierigkeiten machen. Das wäre für die EU in der Tat vorteilhaft, passt aber schlecht zum ausgeprägten Selbstbewusstsein manchen Landes. So sind die griechischen Zyprioten sehr stolz, dass sie zu den "Nettozahlern" in der EU gehören werden. Da wollen sie auf der Zielgeraden nicht ihre armen türkischen Vettern aufgebürdet bekommen, sondern setzen auf eine spätere Vereinigung zu für sie günstigeren Bedingungen. Das ist realitätsfern, egoistisch und ungerecht - aber derlei Denken kennt man auch in der EU.'

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU bemerkt:

'Nach dem Scheitern des Annan-Plans droht sich die Spaltung der Insel zu vertiefen. Der türkische Außenminister Gül spricht bereits von einer «permanenten Teilung». Auch Denktasch triumphiert. Er wird hoffen, Nordzypern nun noch enger an die Türkei binden zu können. Das gilt es zu verhindern, wenn wenigstens die Option auf eine Zypernlösung gewahrt werden soll. Die EU muss die politische und wirtschaftliche Isolation Nordzyperns jetzt beenden.'

Themenwechsel: Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf vergleicht die internationale Afghanistan-Politik mit der Irakpolitik der USA und stellt fest:

'Der Einsatz, der zur Berliner Afghanistan-Konferenz, der jüngsten Fischer-Reise und nun einem zweiten Wiederaufbauteam führte, wird durch die politische Situation erleichtert: Es gibt ein Uno-Mandat, eine eigene, unabhängige afghanische Regierung, eine von Afghanen ausgearbeitete Verfassung - und einen Nato-Einsatz. Dagegen steht das Irak-Modell der Regierung Bush: ein völkerrechtlich umstrittener Krieg ohne Uno-Mandat, unterstützt von einer durch Druck zu Stande gekommenen Allianz, keine klare Vorstellung davon, wie die Souveränität an die Iraker übertragen werden soll.'

Abschließend die FRANKFURTER ALLGEMEINE dazu:

'In gewisser Weise mag es Angela Merkel Entlastung schaffen, dass jetzt Horst Köhler, ihr Kandidat für das Präsidentenamt, so deutlich auf Distanz zur Bush-Regierung gegangen ist. Köhler verfährt ähnlich wie zuvor Schäuble (der dasselbe Amt im Auge hatte), denn er darf darauf vertrauen, mit dieser Meinung nicht allein zu stehen - nicht in Deutschland und auch nicht in der Union, wie die Reaktionen seiner Zuhörer zeigen.'