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Pressestimmen von Montag, 26. Januar 2004

Redaktion Michael Wehling. 30. Januar 2004

Deutsche Vermittlung zwischen Israel und Hisbollah/ Chef der Bundesagentur Florian Gerster entlassen

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Der von der deutschen Regierung vermittelte Gefangenenaustausch zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz und die Entlassung des Chefs der Bundesagentur für Arbeit, Florian Gerster, sind an diesem Montag die zentralen Kommentar-Themen der deutschen Tageszeitungen:

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt zur deutschen Vermittlung zwischen Israel und der Hisbollah:

'Die politische Rolle Berlins im Nahen Osten wird oft und gern überschätzt; doch was jetzt erreicht worden ist, entspricht ungefähr den realen Möglichkeiten: politisch und humanitär gute Dienste zu leisten, punktuell als Vermittler zu fungieren, der auf beiden Seiten ein recht großes Vertrauen genießt. Das ist schon etwas.'

Positiv äußert sich auch der GENERAL-ANZEIGER aus Bonn:

'Die Bundesregierung darf stolz darauf sein, mit den Mitteln der Geheimdiplomatie das Leid einiger Familien in Israel und im Libanon etwas gelindert zu haben. Das Lehrstück des Wochenendes zeigt aber auch die starke Rolle, die der Iran hinter den Kulissen spielt. Gäben der Iran und Syrien ihre Patenschaft über die Hisbollah auf, dann gäbe es ein wenig mehr Grund zur Hoffnung. Doch danach sieht es, leider, nicht aus.'

Skeptischer zeigen sich die in Dortmund erscheinenden RUHR-NACHRICHTEN:

'Inwieweit allerdings der Gefangenenaustausch ... auch positive Langzeit-Folgen zeigt, muss derzeit völlig offen bleiben. Die Terrororganisation Hisbollah hat ihre Aufwertung bereits propagandistisch als großen Sieg gefeiert... Das birgt insofern Gefahren, als sich die kompromisslose Fraktion der Palästinenser ermutigt fühlen könnte, das Einlenken der Israelis als Zeichen von Schwäche zu interpretieren und weiter auf Gewalt als Erfolg versprechendes Mittel der politischen Auseinandersetzung zu setzen. Damit zum nächsten Thema, der Entlassung des Chef der Bundesagentur für Arbeit:

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN analysieren:

'Mit Florian Gerster ist eine zentrale Figur der Reformvorhaben der Bundesregierung gescheitert. Seine Entlassung ist für Gerhard Schröder ein schwerer Rückschlag. Schließlich hatte der Kanzler höchstselbst den Mainzer Sozialminister ins Amt gedrängt ... '

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder notiert:

'Der Mann, der als arrogant, überheblich und selbstbewusst bis zur Anmaßung gilt, hat es versäumt, Bündnispartner zu gewinnen. Stattdessen verdarb es sich der bisherige BA-Chef, der von sich behauptete 'noch nie einen politischen Fehler' gemacht zu haben, so ziemlich mit jedem.'

Die Wirtschaftszeitung HANDELSBLATT aus Düsseldorf hebt einen anderen Aspekt hervor:

'Das größte Hindernis auf dem Weg zu einer besseren Arbeitsverwaltung ist nicht die zuweilen arrogante Attitüde eines BA-Chefs. Es ist die Gefahr, dass der Umbau politischer Ranküne zum Opfer fällt, frei nach dem Kalkül der Opposition, wonach das Scheitern Gersters der Auftakt zu einem willkommenen Clement-Skandal im Wahljahr 2004 sein könnte.'

Die in Berlin herausgegebene Zeitung DIE WELT macht sich Gedanken um die Gerster-Nachfolge:

'Zum einen muss der Neue viel Sanierungseifer und Managerkraft aufbringen - allein um die Behörde unter Dampf zu halten. Zum anderen ist auf dem Posten das - beim Vorgänger kaum ausgeprägte - Geschick gefragt, den Verwaltungsrat so einzubinden, dass das Tarifkartell den Reformprozess nicht mehr lähmt.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München bemerkt:

'Nur wenn Schröder und Clement die Nachfolge schnell und möglichst geräuschlos regeln, bleibt Gersters unfreiwilliger Abgang nicht an ihnen hängen. Die Drohung der Union mit einem Untersuchungsausschuss läuft zwar ins Leere, weil alle Fakten um die Beraterverträge schon öffentlich sind. Trotzdem haben die Regierenden ein Problem: Die monatelange Personaldebatte hat die Umbauarbeiten enorm verzögert.'

Die in Dresden erscheinende SÄCHSISCHE ZEITUNG schreibt:

'Der Gerster-Nachfolger ist nicht zu beneiden. Er muss beweisen, dass alte Ämter nicht nur neue Schildchen an der Eingangstür gekommen haben. Er muss, wie Gerster, vielen Verlierern des neuen Kurses auf die Füße treten, aber so, dass er selbst nicht zum Schlagzeilenkönig wird. Eines ist trotz allen Umbaus klar: Niemand kann Arbeitslose in Stellen vermitteln, die es gar nicht gibt.'