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Pressestimmen von Montag, 29. Januar 2007

Gerhard M Friese28. Januar 2007

US-Proteste gegen Bushs Irak-Politik/ Steinkohlesubventionen in Deutschland

https://p.dw.com/p/9m84
Der Protest von zehntausenden Menschen gegen die Irakpolitik von US-Präsident George W. Bush in mehreren Städten der USA und die Beratungen über ein Ende der deutschen Steinkohlesubventionen sind an diesem Montag die wichtigsten Themen der Kommentare deutscher Tageszeitungen.

Der MANNHEIMER MORGEN schreibt zum US-Protest:

"Noch ist es eine Minderheit in den USA, die den sofortigen Truppenabzug fordert. Doch wenn nicht alle Zeichen täuschen, gewinnt diese Minderheit jetzt fast mit jedem Tag an Bedeutung. Für die Regierung Bush und den Kongress, die - mit unterschiedlichen Mitteln - einen übereilten Rückzug verhindern und erst eine wenigstens teilweise Stabilisierung des Irak durchsetzen wollen, bleibt nicht mehr viel Zeit. Gibt es nicht in sehr naher Zukunft durchschlagende Erfolge, wird der Protest gegen den Krieg eine heute kaum vermutete politische Dynamik entfalten."

Im Bonner GENERAL-ANZEIGER lesen wir:

"Ein echter Anti-Kriegs-Kandidat wird 2008 bei den Demokraten und in den USA überhaupt vielleicht bessere Chancen haben, als man heute vermutet. Noch ist es eine Minderheit in den Vereinigten Staaten, die den sofortigen Truppenabzug fordert... Doch es könnte bald schon eine politische Forderung sein, der sich niemand mehr in den Vereinigten Staaten entziehen kann, weder die Politiker der Regierung noch die der Opposition. Das fünfte Kriegsjahr, das demnächst mit der Entsendung zusätzlicher Soldaten beginnt, wird wohl nicht zu Ende gehen, ohne dass die ersten amerikanischen Einheiten den Rückzug antreten."

Die Münchner ABENDZEITUNG kommentiert:

"Antikriegs-Demos gab es in den USA in den vergangenen Monaten immer wieder. Neu ist jedoch die Dimension der Proteste. Strategen im Weißen Haus fürchten, bis zum Sommer könnte eine halbe Million Menschen vor dem Kapitol auflaufen. Neu ist auch, dass zum ersten Mal eine politische Mehrheit auf Seiten der Kriegsgegner steht. Zum ersten Mal hat Bush einen demokratischen Kongress gegen sich. Auch an ihn richteten sich die Appelle der Demonstranten in Washington. Der Kongress muss jetzt handeln, muss Bush endlich einen Strich durch die Rechnung machen. Der demokratische Abgeordnete John Conyers brachte es auf den Punkt: Bush kann Militärführer und Minister feuern, wenn sie ihm sagen, dass der Irakkrieg verloren geht. Aber uns kann er nicht feuern."

Und der in Bamberg erscheinende FRÄNKISCHE TAG sieht wenig Hoffnung auf eine Änderung der Regierungspolitik:

"George W. Bush scheint dennoch wild entschlossen, seinen (Irr-)Weg bis zum Ende durchzustehen. Und zwar gegen den Kongress, in dem jetzt die oppositionellen Demokraten den Ton angeben. Gegen den Druck der Straße, auf dem sich der wachsende Widerstand in der amerikanischen Bevölkerung gegen den Irak-Krieg ausdrückt. Und auch gegen den Rat von Offizieren und Parteifreunden. Augen zu und durch? In seiner Sturheit erinnert Bush an einen seiner Vorgänger: Lyndon B. Johnson schickte immer mehr Truppen nach Vietnam. Das Ende ist bekannt."


Vertreter von Bund, Ländern, Wirtschaft und Gewerkschaft haben am Sonntag über ein sozialverträgliches Ende der Steinkohleförderung in Deutschland beraten. Dazu meint die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam:

"Seit Jahrzehnten geben Bund und Länder Milliarden Steuergelder dafür aus, um Kohle aus der Erde zu holen, die auf dem Weltmarkt ein Bruchteil davon kosten würde. Doch für die SPD war die Kohle stets tabu, weil die Kumpel eine Wählerklientel waren. Die Macht in den Kohle-Ländern Nordrhein-Westfalen und Saarland hat die SPD trotzdem verloren. Nun soll der Kohlebergbau 2018 auslaufen, was mit Blick auf einen sozialverträglichen Ausstieg verkraftbar wäre. Doch Teilen der SPD geht das immer noch zu weit. Einen rationalen Grund dafür gibt es nicht. Weder die wirtschaftliche Bedeutung noch die Sicherung der Energieversorgung rechtfertigen weitere Subventionen. Das Geld wäre in der Förderung erneuerbarer Energien weit sinnvoller angelegt."

In den STUTTGARTER NACHRICHTEN heißt es:

"Letztlich geht es um eine nüchterne Abwägung: Ein für die Kohle ausgegebener Euro kann nie mehr an anderer Stelle verwendet werden. Der Staat muss sich aber um anderes kümmern, als ein langes Sterben noch zu verlängern. Er muss Deutschland zukunftsfest machen: Durch Bildung, Forschung und eine wirkungsvolle Familienförderung. Bei dieser Alternative ist die Entscheidung klar. Für das schwarze Gold kann es in Deutschland kein 'Glück auf!' mehr geben."

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU merkt an:

"Es geht zu Ende mit dem Steinkohle-Bergbau in Deutschland. Jahr um Jahr stecken Bund und Länder derzeit noch Milliarden in eine Industrie, die international nicht annähernd konkurrenzfähig ist - es sind rund 40.000 Euro für jeden der noch rund 30.000 Arbeitsplätze. Es braucht kein Diplom in Volkswirtschaft, um zu verstehen, dass diese Praxis sinnlos ist."

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND meint zu weitergehenden Forderungen:

"Der deutsche Steinkohlebergbau hat über die Jahre viele Milliarden erhalten, und er bekommt jetzt eine Gnadenfrist und eine Beerdigung erster Klasse. Ihm auch noch Unsterblichkeit zu garantieren, wäre schlicht verantwortungslos gewesen."

Zum Schluss wirft die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG aus Essen einen Blick auf die betroffenen Menschen:

"Kohle ist im Ruhrgebiet ein Mythos. Aber das Ruhrgebiet ist nicht Kohle. Die Stärke dieser Region ist nicht ein bestimmter energetischer Grundstoff, sondern es sind die Menschen, die hier leben. Die es wahrscheinlich viele Jahre lang schwerer hatten als in Regionen anderswo. Die aber noch stets an sich selbst erfahren haben, ihr Leben aus eigener Kraft zu meistern. Das bleibt, auch wenn die Kohle geht."