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Pressestimmen von Montag, 29. Oktober 2006

Stephan Stickelmann29. Oktober 2006

Skandal-Fotos von Afghanistan / Zwischenfälle vor libanesischer Küste

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Die Skandal-Fotos von Afghanistan und ihre Folgen für die Bundeswehr wie auch das internationale Engagement am Hindukusch insgesamt bleiben ein zentrales Kommentarthema der deutschen Tagespresse. Zunehmende Beachtung finden aber auch die Zwischenfälle zwischen Bundesmarine-Einheiten und israelischer Luftwaffe im Mittelmeer.

Angesichts der Skandal-Fotos stellt die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg fest:

"Dank modernster digitaler Bearbeitungs- und Übertragungstechniken, Minikameras und Fotohandys dreht sich eine visuelle Rüstungsspirale. Doch sie produziert immer mehr Kollateralschäden. Im Internet können im Irak kämpfende US-Soldaten kostenlos Fotos getöteter Iraker gegen Pornobilder tauschen. Die Erinnerungs-Bilder gefolterter Iraker aus dem Gefängnis in Abu Ghoraib haben den USA unermesslichen moralischen Schaden zugefügt. Und die schändlichen Schnappschüsse aus Afghanistan könnten den Anfang vom Ende der deutschen Mission am Hindukusch bedeuten."

Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG - sie erscheint in Halle - sieht es so:

"Wirklich gefährlich für die dort stationierten Streitkräfte sind weniger öffentliche Proteste. Zunehmend unkalkulierbar ist die klammheimliche Reaktion Einzelner. Ob in Afghanistan oder in Deutschland. Allein der Nachdruck der dänischen Mohammed-Karikaturen hat hierzulande zwei junge Männer aus dem Libanon dazu gebracht, Kofferbomben-Anschläge vorzubereiten, die nur durch einen glücklichen Zufall scheiterten. Zu hoffen wäre, dass die Sorge vor Attentaten auch in der Truppe einen heilsamen Schreck auslöst. Wer dort nicht weiß, was er zu jedem Zeitpunkt tut, wird zum Risiko für sich und andere."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU ergänzt:

"Die Diskussion über Bundeswehreinsätze muss und wird nach dem jüngsten Skandal ernster werden. Das bedeutet nicht automatisch, Einsätze in Frage zu stellen. Aber gerade die faktische Entfristung hin zu einer Dauerpräsenz ohne Aussicht auf ein terminierbar gutes Ende, was für den Balkan bislang genauso gilt wie für Afghanistan und neu den Libanon, führt irgendwann eben auch zu Gewöhnungsprozessen, mit denen Engagement und Aufmerksamkeit nachlassen: bei den Soldaten wie bei den Politikern und in der Gesellschaft."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schließlich resümiert:

"Die makabren Totenkopf-Fotos aus Afghanistan erregen das deutsche Publikum vor allem deshalb, weil sie dem Bild vom Bundeswehrsoldaten als untadeligem 'Staatsbürger in Uniform' widersprechen. Politiker aller Couleur haben bisher die Botschaft verbreitet, daß unsere Soldaten im Ausland eine humanitäre, sogar eine zivilisatorische Mission wahrnehmen. Das stößt sich hart an der unangenehmen Wirklichkeit, daß Kampf und Krieg Exzeßhandlungen bleiben, die unvermeidlich eine unzivilisierte, eine unmenschliche Seite haben - trotz aller Abkommen zur kriegsrechtlichen 'Hegung' und trotz aller erzieherischen Bemühungen. Das entschuldigt gar nichts, ist aber jener Teil der Wahrheit, über den niemand gerne spricht."

Themenwechsel: Die Zwischenfälle im Mittelmeer haben die Gefährlichkeit des deutschen Libanon-Einsatzes klar zu Tage treten lassen. Die Kommentatoren der Tageszeitungen fordern die Bundesregierung deshalb zu klaren Worten auf - gegenüber den Bundesbürgern wie auch gegenüber Israel und dem Libanon.

Die in Oldenburg erscheinende NORDWEST-ZEITUNG bemerkt:

"Nicht unmöglich, aber mit vielen Unbekannten versehen ist die Mission der Bundesmarine vor der Küste des Libanons. Zu viele, moniert die Opposition und fordert Verteidigungsminister Jung zur Preisgabe von Details auf. Die kommen nur nach und nach ans Licht. Die wichtigste Frage aber stellt sich der deutschen Öffentlichkeit: Wie sicher sind die abkommandierten Soldaten angesichts dieses offensichtlichen Tohuwabohus? Donnerstag fliegt Jung in den Nahen Osten. Er muss diese Fragen klären. Die Antworten sind überfällig."

In der BERLINER ZEITUNG heißt es:

"Will Europa als Schlichter in diesem Konflikt erfolgreich sein, muss es ohne falsche Rücksicht auf die Umsetzung der UN-Resolution 1701 dringen. Und zwar nach beiden Seiten hin. In Deutschland wurde das lange nicht mit der notwendigen Klarheit gesagt. Da hieß es, die deutsche Marine sei dazu da, Israel zu schützen. Das war und ist richtig. Aber das war und ist nur die eine Seite. Jetzt da die deutschen Truppen im Einsatz sind, sollte auch in Berlin schnell klar gemacht werden: Es geht ebenso um den Libanon."

Die NÜRNBERGER ZEITUNG führt aus:

"Wie berechtigt die Warnungen vor dieser Mission waren, zeigt sich bereits nach wenigen Wochen. In gleich mehreren Fällen ist genau das eingetreten, was nach Überzeugung der Bundesregierung nie hätte eintreten können: eine direkte Konfrontation mit israelischen Soldaten. Bevor noch Schlimmeres geschieht, sollten die deutschen Schiffe deshalb schleunigst abgezogen werden. Ihr weiterer Einsatz ist auch deswegen nicht zu verantworten, weil sie entgegen aller gewundenen Erklärungen aus Berlin eben nicht Herr ihrer Entscheidungen sind."

Ähnlicher Ansicht ist der WIESBADENER KURIER - Zitat:

"Verteidigungsminister Jung ist bei seiner Nahostreise gut beraten, weder in Beirut noch in Jerusalem herumzudrucksen und zu beschwichtigen. Die Libanesen gilt es auf eine wirksame Kontrolle der Hisbollah einzuschwören, mit entsprechendem UN-Mandat, das - wie jetzt im Bundestag eingestanden - so robust leider nicht ist. Und die Israelis sind der deutschen Politik eine klare Aussage schuldig, ob sie die Matrosen vor Libanons Küste als willkommene Helfer sehen oder als unsichere Kantonisten, die selbst überwacht werden müssen. Im letzteren Fall kann es für die Bundesmarine nur heißen: Volldampf zurück!"