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Pressestimmen von Montag, 4. April 2005

Gerd Winkelmann. 3. April 2005

Zum Tode von Papst Johannes Paul dem Zweiten

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Die Nachricht vom Tod des Papstes hat weltweit Trauer und Betroffenheit ausgelöst. Zu Tausenden strömten auch in Deutschland die Menschen in die Kirchen, um Johannes Pauls des Zweiten zu gedenken. Die Kommentare der deutschen Tagespresse beschäftigen sich an diesem Montag mit dem Ende einer Ära, dem Abschied und einem möglichen Neubeginn:

So heißt es in der HAMBURGER MORGENPOST:

'Als Anfang 1978 ein gewisser Albino Luciani als Johannes Paul I. gewählt wurde, da wehte ein frischer Wind durch den alt-ehrwürdigen Vatikan. Überfällig! Das Heer der Gläubigen dürstete nach neuen Antworten auf Fragen einer sich wandelnden Zeit. Doch die vatikanische Perestroika - sie endete abrupt, als der agile Italiener nach nur 99 Tagen überraschend starb. Einen neuen Schub bekam die Reform-Euphorie, als ein polnischer Kardinal zur Überraschung aller den Heiligen Stuhl erklomm: Sportsmann, Dauer-Lächler und Kinderfreund, der offensiv die Medienwelt bediente. Es sah aus, als lasse der Vatikan endlich das Mittelalter hinter sich. Aber es sah nur so aus. Konsequent und schonungslos half dieser Papst zwar, kommunistische Lebenslügen zu entlarven. Eigene Lebenslügen - Stichworte: Verhütung/Kondome/Aids, Schwangerenberatung, Homosexualität, innerkirchliche Meinungsfreiheit - sie wurden weiter bedient. Dieser Papst hat die Welt verändert. Er vergaß die eigene Kirche dabei.'

In der Münchner ABENDZEITUNG lesen wir:

'Seine unnachgiebige Ablehnung jeder Form der Geburtenkontrolle war konsequent. Aber beim Kampf gegen Armut und Überbevölkerung war sie kontraproduktiv. Und seine Verdammung von Kondomen zu einer Zeit, als AIDS als globale Bedrohung längst bekannt war, hat die Ausbreitung der Krankheit nicht gebremst. Nimmt man seine kircheninterne Reformfeindlichkeit von Zölibat bis Frauenordination hinzu, so trübt sich das Bild. Doch ist es gerade dieses Widersprüchliche, das die Faszination dieses Mannes ausmacht. Dieselben, die sich irritiert abwandten, als er den Überlegenheitsanspruch der katholischen Kirche über andere Konfessionen reklamierte, freuten sich über seine entschiedene Parteinahme gegen den Krieg im Irak.'

Die EßLINGER ZEITUNG schreibt:

'Kirchenintern blieb der Papst umstritten: Sein Eintreten für das Zölibat und gegen die Ordination der Frau, seine rigide Sexualmoral und sein Ausgrenzen von Homosexuellen sind fortschrittlicheren Kräften in der Kirche, die sich mit dem Zweiten Vatikanum frischen Wind erhofften, ein Dorn im Auge. Doch Johannes Paul II. hielt seine unbeugsamen und teilweise auch unbequemen Botschaften durch - wer seine Herkunft aus der polnischen Kirche in Zeiten des Kommunismus betrachtet, kann sich darüber nicht wundern.'

Hier ein Blick in die OFFENBACH-POST:

'Und dass augenscheinlich unendlich viele junge Menschen etwa auf dem Petersplatz für ihr Idol, ihren "Popstar" Karol Wojtyla beteten und ihn in seinen letzten Stunden auf Erden geradezu friedlich-heiter und frohen Herzens begleiteten (...) vermittelte Hoffnung auf eine künftige Werte-Erhaltung, für die sich der Papst bis zuletzt einsetzte. Sein langes Leiden, der Sterbeprozess seit vorigem Freitag brachten diejenigen, die es wollten, dem christlichen Glauben, ja, man darf wohl sagen: Gott näher.'

Zu guter Letzt die Meinung des TAGESSPIEGELS aus Berlin:

'Spiritualität und Moralität und Modernität - kein Wunder, dass es, zwischen diesen Begriffen, zu Spannungen kam, innerkirchlich und außerhalb, in der Welt. Und immer wieder gilt dieser Satz: Wer bewahren will, muss verändern. Er handelte danach, aber eben nicht immer im Sinne der Modernität. Oder tritt da, genau da, sein eigentliches Erbe zutage? Modernität kann sein, so lehrt es dieser Papst, dem Zeitgeist entgegenzutreten, ihm so lange und beharrlich Zeit abzufordern, bis sich unser Zeitmaß verändert. Denn das ist doch geschehen. Johannes Paul II. hat in einer, sagen wir, nahezu altertümlichen Weise, Respekt für das Leiden gefordert, Akzeptanz für das Vergehende und damit etwas, was der globalen Gesellschaft abhanden kommt: Geduld.'