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Pressestimmen von Montag, 5. Dezember 2005

Herbert Peckmann4. Dezember 2005

CDU analysiert den Wahlausgang/ Weitere Berichte zu CIA-Geheimflügen

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Die in der CDU begonnene Analyse des relativ schlechten Ergebnisses der Unionsparteien bei der Bundestagswahl und Berichte über mögliche Erkenntnisse europäischer Regierungen zu CIA-Geheimflügen sind Kommentarthemen der deutschen Presse an diesem Montag. Die Tageszeitung TAZ aus Berlin schreibt:

"Bisher wird kaum das Programm in Frage gestellt, mit dem Merkel angetreten ist, sondern nur die Art und Weise, wie sie es verkauft hat. Doch das ist Schnee von gestern. Als Kanzlerin hat Merkel alle Chancen, ihr kühles Erscheinungsbild zu korrigieren. Tief greifende Entscheidungen über den Kurs der Union bleiben ihr schon durch den Koalitionszwang erspart. (...) Aus ihrer Wahlpleite hat die CDU nur einen Schluss gezogen: Man will irgendwie sozialer scheinen."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG meint:

"Reden kann und muss man über die Mängel des politischen Marketings, über die Kommunikationsblockade kurz vor dem Wahltag und die Hilflosigkeit im Umgang mit Populisten wie Schröder und Fischer. Doch das auf mehr Freiheit für den Bürger gerichtete Programm der CDU war und ist richtig. (...) Den Forderungen der Sozialstaats-CDU nach mehr sozialer Wärme in Programm und Rhetorik kam (Merkel) schon in ihrer Regierungserklärung nach. Die Kanzlerin, selbst ein Beispiel kühlen Verstandes, lernt schnell."

Anders sieht es die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"Die Merkel-Union (...)versäumte es, die soziale Marktwirtschaft, die die einst erfunden hatte, weiterzuentwickeln, sie auf europäische Ebene zu heben, sie globalisierungsfester zu machen. Das geht natürlich nicht von einem Tag auf den anderen. Aber die Merkel-Union hat sich nicht einmal Überlegungen dazu gemacht und stattdessen so getan, als sei Arbeitslosigkeit damit zu bekämpfen, dass man Arbeitnehmerrechte hinten stutzt und vorne kürzt."

Das STRAUBINGER TAGBLATT hat eine klare Forderung:

"Die CDU muss hart an sich arbeiten, nicht nur auf einer eintägigen Präsidiumssitzung. Sie muss nun klären, wofür sie im 21. Jahrhundert steht, was sie in der Bundeskoalition mit der SPD erreichen oder auch verhindern will. (...) Merkel sitzt im Sessel der Kanzlerin - und bald zwischen allen Stühlen wie Stoiber? (...) Durchsetzungskraft allein reicht nicht, um das Land voran zu bringen."

Die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt hält die Diskussion in der CDU-Parteispitze für albern. Das Blatt stellt fest:

"Sicher gibt es zu den Ergebnissen der Bundestagswahl, auch Monate nach dem Geschehen, etwas zu sagen. Und die Union tut gut daran, wie jede andere Partei auch, die Winkelzüge des Wählers nicht einfach zu ignorieren. Aber ein spezieller Konvent dafür scheint nicht nur übertrieben, sondern reine Selbstbeschäftigung. (...) Angela Merkel bewies mit dem Abschieben der unproduktiven Veranstaltung in die beschauliche Weihnachtszeit erneut viel taktisches Geschick im Umgang mit ihren Widersachern."

Themenwechsel: US-Außenministerin Rice will bei ihrem bevorstehenden Europa-Besuch nach amerikanischen Presseinformationen Forderungen nach Aufklärung von Berichten über CIA-Geheimgefängnisse mit einer Offensive begegnen. Sie werde die Regierungen verschlüsselt darauf hinweisen, dass die Operationen mit voller Kenntnis von 'bedeutenden Regierungen' oder Geheimdienstvertretern erfolgten. Dazu konstatiert die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG:

"Wenn die Berichterstattung der seriösen Washington Post auch nur in Ansätzen stimmt, dann müsste die Schamesröte in die Gesichter einer Reihe rot-grüner Ex-Minister steigen. Vor allem Otto Schily hat nach der Schilderung des renommierten Blattes gegen seine Amtspflichten verstoßen und einem von der CIA in einen afghanischen Kerker verschleppten Deutschen keine Hilfe zukommen lassen. Er soll sogar auf Bitten der US-Regierung den Vorgang verschleiert haben, da der Gekidnappte unter US-Terrorverdacht gestanden habe. Auch im Falle weiterer Mutmaßungen über geheime CIA-Gefangenenflüge mit Zwischenstopps in Europa könnte es peinlich werden. Die Hinweise mehren sich, dass die europäischen Regierungen eine gewisse Ahnung von den Menschenrechtsverstößen hatten, aber nicht so genau hinsehen mochten. US-Präsident Bush ignoriert bewusst internationale Rechtsnormen. Möglicherweise sind mehrere EU-Staaten zu willfährigen Komplizen geworden; auch Berlin", meint die WAZ aus Essen.

Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg kommentiert:

"Kidnapping, Haft ohne Haftgrund, Verletzung des Völkerrechts, Täuschung von Transitländern die Berichte verdichten sich, dass der US-Auslandsgeheimdienst all dies praktiziert hat und es noch tut, mit System, auch in Deutschland. Täuschung setzt allerdings voraus, dass Deutschland und seine Geheimdienste vom Bündnispartner nicht eingeweiht wurden. Das steht noch dahin, und hier kann es peinlich werden, namentlich für Innenminister a.D. Schily und seinen Kollegen Steinmeier, vormals Kanzleramts- und jetzt Außenminister. Entweder sie ließen sich täuschen über die Rechtsbrüche oder deckten sie. Beides können sich Regierungen nicht erlauben, die sich auf Völker- und Menschenrechte berufen."

Schließlich noch die WILHELMSHAVENER ZEITUNG, die fordert:

"Es ist dringend Aufklärung darüber vonnöten, inwieweit eine deutsche Bundesregierung von den Vorgängen gewusst hat. Der im Raum stehende Verdacht des Tarnens, Täuschens und Vertuschens wiegt schwer. Hoffentlich wird wenigstens der Europarat bei seiner Aufklärungsarbeit in diesem Zusammenhang eine zufrieden stellende Antwort aus Berlin erhalten."