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Pressestimmen von Montag, 6. Juni 2005

Martin Muno5. Juni 2005

Krise der EU / Schweizer sagen 'Ja' zu Schengen / Kanzler Schröder vor der Wahl

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Im Blickpunkt der Leitartikler stehen an diesem Montag vor allem die Chancen von Kanzler Gerhard Schröder bei den geplanten vorgezogenen Wahlen, das 'Ja' der Schweizer zum Schengen-Abkommen und das Krisentreffen Schröders mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac nach den gescheiterten Volksabstimmungen über die europäische Verfassung.

Zu diesem Thema bemerkt die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Nur nicht wackeln in Sachen Europa. Gesprächs- und kompromissfähig bleiben, selbst wenn es Geld kostet. Niemandem die Türe zuschlagen. Zusammenrücken, wenn es schwierig wird. Rezepte von gestern? Gerhard Schröder und Jacques Chirac wenden sie nach den beiden gescheiterten Verfassungsreferenden geradezu demonstrativ neu an."

Die ESSLINGER ZEITUNG schreibt:

"Gerhard Schröder und Jaques Chirac verweigern sich der Realität. Als habe es die Abstimmungsniederlagen in Frankreich und den Niederlanden nicht gegeben, und als wüssten sie nichts von Tony Blairs geplantem Verzicht auf ein Referendum der Briten im kommenden Jahr, wollen sie am Ratifizierungsprozess festhalten. Soll der nicht sehenden Auges vor die Wand gefahren werden, müssen sie eine Wiederholung der Referenden in Frankreich und den Niederlanden im Kalkül haben."

In der THÜRINGER ALLGEMEINEN heißt es:

"Wie ernst die Lage ist, offenbarte das von Ratlosigkeit geprägte deutsch-französische Treffen. Ein angeschlagener Präsident und ein Kanzler auf Abruf lautet das letzte Aufgebot."

Die WELT analysiert die Abstimmung über das Schengen-Abkommen in der Schweiz:

"Es ist schon erstaunlich, daß nach den beiden Schockwellen aus Frankreich und den Niederlanden gerade die Schweiz ein Bekenntnis zu Europa ablegt. Denn die traditionell neutralen Schweizer sind nicht bekannt dafür, supranationalen Gebilden besondere Zuneigung angedeihen zu lassen. Dennoch rücken sie mit ihrem zwar knappen, aber durch die außergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung wuchtigen Ja zur europaweit koordinierten Polizei- und Asylpolitik ein ganzes Stück näher an Europa heran."

Das sieht der SCHWARZWÄLDER BOTE aus Oberndorf ähnlich:

"Während die EU über Nacht von politischen Schüttelfrösten geplagt scheint, haben die gewiss nicht blauäugigen Eidgenossen gestern die Schengen-Regeln ruhigen Blutes durchgewinkt. Damit nähert sich die Schweiz behutsam, aber deutlich der EU an. Inbrünstig ist zuvor in Tells Landen gestritten worden, und helle Begeisterung löst dieser Flirt mit Nachbarskindern beileibe nicht aus. Doch am Ende haben Vernunftgründe die Oberhand behalten. Etwas mehr Sachlichkeit würde denn auch der aufgescheuchten EU-Politik gut tun. Doch kein Schröder und kein Chirac, kein Juncker und kein Barroso haben bislang einen Weg aus den europäischen Selbstzweifeln gewiesen."

Die KIELER NACHRICHTEN blicken auf den kommenden Wahlkampf in Deutschland:

"Wahrscheinlich glaubt Schröder selbst nicht daran, als Sieger aus vorgezogenen Neuwahlen hervorzugehen. Aber er will wenigstens einen starken Abgang haben. Denn davor graut ihm am meisten: Wie einst Kohl sang- und klanglos unterzugehen. Genau das droht dem Kanzler nun, wo sich die eigene Partei von ihm abwendet. Will er diesen Eindruck wirklich noch mit einem Wählervotum verstärken? Das hat ja fast masochistische Züge. Es passt so gar nicht zu diesem Kanzler, sich derart das Heft des Handelns aus der Hand nehmen zu lassen. Seiner Psyche entspräche es viel mehr, die Welt ein letztes Mal zu überraschen, indem er seinen Rücktritt erklärt."

In der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG lesen wir:

"Schröder ist nicht mehr Herr des Verfahrens, sondern ein Getriebener. Die Generation Gabriel drängt bereits an das Steuer auf dem in höchster Seenot befindlichen Tanker SPD."

Zum Schluss noch ein Blick in die FRANKFURTER NEUE PRESSE:

"Schröder und die SPD rennen sehenden Auges in die Niederlage. Sicher, für Schröder wäre dies ein besserer Abgang, als noch ein Jahr von Opposition und eigener Partei zur lahmen Ente gemacht zu werden. Aber der Kanzler ist wie ein Karten-Spieler, der vertrauend auf alte Erfolge, immer höher pokert, obwohl die anderen wissen, dass er höchstens 'ein Pärchen' zu bieten hat. Er ist damit im Begriff, das letzte Partei-Vermögen, sprich den Anteil an der Macht zu verspielen."