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Pressestimmen von Montag, 7. Februar 2005

Christina Pannhausen6. Februar 2005

Stoiber zu Ursache für Erstarken des Rechtsextremismus

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Die Aussage von CSU-Chef Edmund Stoiber, der den Zulauf der NPD mit der Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung begründet hatte, ist das zentrale Thema in den Kommentaren der deutschen Tagespresse an diesem Montag.

Der MÜNCHENER MERKUR schreibt:

"Die hohe Arbeitslosigkeit sei schuld am Aufstieg der NPD, behauptet Edmund Stoiber. Diese Einsicht ist im Kern richtig, taugt aber nicht als Wahlkampfmunition gegen Rot-Grün: Deutschlands hohe Arbeitslosigkeit hat viele Väter. Einer heißt Helmut Kohl. Auch Stoiber selbst ist jahrelang nicht gerade als glühender Verfechter harter Reformen in Berlin aufgefallen. Sein Vorwurf an Schröder (der nach einigem Zögern immerhin gehandelt hat) ist ein klassisches Eigentor und hilft nur den Rechten, weil er das Versagen ganzer Generationen reformscheuer Politiker offenbart."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München meint:

"Gefährlicher noch wäre es, wenn Stoiber dem verbreiteten Irrtum Vorschub leistete, Hitler sei wegen der Arbeitslosigkeit an die Macht gekommen. Sicher hat die Weltwirtschaftskrise den Aufstieg der Nazis begünstigt, aber die Massenarbeitslosigkeit grassierte damals auch in anderen Industriestaaten. An die Macht gekommen ist Hitler 1933 wegen des Versagens der deutschen Eliten zu einem Zeitpunkt, als die Krise bereits ihren Höhepunkt überschritten hatte. Zum richtigen Umgang mit der Vergangenheit gehört es daher, jungen Deutschen immer wieder klar zu machen: Freiheit und Demokratie sind ein Schatz, auf den man stolz sein sollte, und den niemand antasten darf, auch und gerade dann nicht, wenn in Berlin oder sonst wo eine schlechte Wirtschaftspolitik betrieben wird."

Die TAZ aus Berlin merkt kritisch an:

"Stoiber schenkt überdies den Extremisten einen Slogan: Weil Deutsche arbeitslos sind - NPD. Damit beleidigt die Union zugleich die Arbeitslosen. Wer seinen Job verloren hat, lautet die Botschaft, dem ist auch sonst alles zuzutrauen. Dass diverse Studien einen direkten Zusammenhang zwischen Jobverlust und extremem Wahlverhalten bestreiten, fällt unter den Tisch. Wer kann die forsche CSU-Front bremsen? Wohl am ehesten jene Politiker, die Stoiber fast beiläufig brüskiert hat: All die Christdemokraten, die sich klar gegen die NPD gestellt haben."

Die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera sieht in der Äußerung Stoibers sogar eine indirekte Stärkung der Rechtsextremen:

"Der NPD kann es nur recht sein. Nicht zu ihr zieht er lärmend den Trennungsstrich, sondern zu Rot-Grün. Und nicht mit ihrem hanebüchenen Programm setzt er sich auseinander, sondern mit der Kanzlerpolitik. Es ist ein hoher Preis für das bisschen Wahlkampf in Schleswig-Holstein und um Merkel zu zeigen, dass nur einer in der Union kernig den Ton angibt. Stoibers Querschläger sind das, was Bundespräsident Horst Köhler vermeiden wollte: Taten in Panik. Darunter fallen sowohl ein hastiges Verbot der NPD wie eben Sprücheklopfen."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG fordert:

"Wer die NPD wieder da haben will, wo sie hingehört - in die Ein-Prozent-Ecke -, sollte erstens nicht mit schiefen historischen Vergleichen arbeiten, denn bei '1932' sind wir noch lange nicht angekommen. Er sollte zweitens die Aufmerksamkeit darauf lenken, wes Geistes Kind die Vertreter dieser Partei sind, und drittens mit dafür sorgen, dass Bundestag und Bundesrat wenigstens die notwendigsten Reformen zustande bringen, die der Bevölkerung wieder die Aussicht auf eine lebenswerte Zukunft eröffnen."

Abschließend mahnt die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock:

"Dennoch ist auch in Stoibers Regierungskritik der Ansatz einer schmerzhaften Wahrheit enthalten, die die Politik bisher weitgehend verdrängt hat. In einem Klima, in dem Hunderte Bewerber auf eine freie Stelle kommen, in der große Unternehmen trotz Milliardengewinne Jobs abbauen, schwindet Vertrauen in die Steuerungsfähigkeit von Politik und in demokratische Institutionen. Demokratie aber ist kein Wert an sich, der einmal errungen, für immer währt. Eine Demokratie, in der immer mehr Menschen arbeitslos und arm werden, ist in großer Gefahr."