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Pressestimmen von Montag, 8. Juli 2002

Gerd Winkelmann10. Juli 2002

Kanzler-Duell in der Boulevard-Presse/Minister-Mord in Kabul /Ecstasy auf dem Rennrad

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Duelle haben Konjunktur, zumal in Wahlkampfzeiten. Für ihren gemeinsamen Exklusiv-Ausflug in die Interview-Spalten der Boulevard-Presse ernten Kanzler Schröder und Kandidat Stoiber an diesem Montag von den Leitartiklern jedoch durchweg schlechte Noten:

So schreibt etwa die BERLINER ZEITUNG:

'Es ist bezeichnend, dass Schröder und Stoiber sich entschieden, mit ihren Ansichten zunächst in Konkurrenz zu nackten Brüsten und Kloakennachrichten zu treten, und ihr so genanntes Duell exklusiv am vergangenen Wochenende in 'Bild' und 'Bild am Sonntag' austrugen. Das Medium ist die Nachricht: Allein mit der Auswahl der führenden Fachblätter fürs Vulgäre und radikal Beschränkte haben die Spitzenkandidaten unmissverständlich klar gemacht, auf welchem Niveau sie mit ihrem Publikum zu verkehren wünschen. (...) Man muss sagen, dass beide Kandidaten den reduzierten Erwartungen vollauf gerecht geworden sind. Keiner hat ein Wort verloren, das man nicht schon etliche Male vernommen hätte. Keiner hat den Fehler begangen, einen
Satz zu sagen, der mit einem Gedanken verwechselt und seriös erörtert werden könnte.'

Hier die Meinung der RHEINPFALZ in Ludwigshafen:

'Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein Herausforderer Edmund Stoiber haben offensichtlich wenig Argumente, warum gerade sie für die nächsten vier Jahre Verantwortung für Deutschland tragen sollten. Wie anders ist es zu verstehen, dass sie wechselseitig versuchen, sich die Verantwortung für die Probleme, die die Bundesrepublik
zweifellos mit sich herumschleppt, in die Schuhe zu sdchieben? Anstatt den Blick nach vorne zu richten, treten sie bei mutmaßlichen oder tatsächlichen Fehlern des politischen Gegners aus der Vergangenheit nach. In Deutschland mangelt es jedenfalls nicht nur an Reformen am Arbeitsmarkt oder in der Steuer- und Wirtschaftspolitik. Ein Symptom der deutschen Krankheit ist auch die Selbstverliebtheit seiner
Politiker, denen die Partei wichtiger als die Sache ist. Mit
Schuldzuweisungen aber wird kein einziger neuer Arbeitsplatz
geschaffen, kein Investor gewonnen, keine Konjunktur angekurbelt.'

Auch der EXPRESS aus Köln kritisiert:

'Können Sie in diesem Sommer nicht verreisen? Schade, aber
vielleicht kommen Sie auch ja daheim auf ihre Spaßkosten. Mit ein bisschen Glück begegnen Sie Herrn Stoiber in der Disco oder stehen plötzlich neben Herrn Möllemann, der pausenlos mit dem Fallschirm vom Himmel fällt. Gut möglich, dass sie auch dem Kanzler auf dem Bolzplatz begegnen, vor dem bekanntlich kein Fußball mehr sicher ist. Oder wie wärs mit Westerwelles oder Merkels 'Road-Show', die im 'Guido-Mobil' oder Bus die Republik durchkämmen? Nicht zu vergessen die vielen Duelle an der Politshow-Front. So ist es halt, wenn Politiker im Wahlkampf plötzlich die Sehnsucht nach dem Volk übermannt. Wetten, dass es nach dem 22. September damit schlagartig vorbei sein wird?!'

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU beschäftigt sich mit dem Minister-Mord im afghanischen Kabul:

'Die Liste der Verdächtigen für den Mord an Hadschi Abdul Kadir ist so lang wie die Sequenz der Kriege in Afghanistan: Krieg gegen die Sowjets, Krieg untereinander, Krieg gegen die Taliban, Krieg gegen Al Quaeda. Aus jeder Phase dieses vergangenen Vierteljahrhunderts ließen sich Gangster und politische Gegener bestimmen, die für den Mord an dem ehemaligen Gouverneur der Provinz Nangahar ein Motiv gehabt hätten. So involviert, so einflussreich war Hadschi Abdul Kadir. (...) Und schließlich dramatisiert die Ermordung des Vizepräsidenten das Strukturproblem bei der versuchten Nationen-bildung der Regierung Karsai. Das Sagen haben die tadschikischen und usbekischen Ex-Kommandanten aus dem Panschir-Tal. Den Paschtunen bleiben - wenn sie denn nicht ermordet werden - die eher repräsentativen Posten.'

Die STUTTGARTER ZEITUNG schreibt zum Sport-Drama des Wochenendes:

'Jan Ullrich hat gedopt. Wenn künftig positive Tests danach
beurteilt werden, in welcher psychischen Verfassung der Athlet die Mittel zu sich genommen hat, dann wird die Dopingrechtsprechung zum Willkürakt, bei dem nach Sympathiepunkten entschieden wird. Beendet ist der Fall Ullrich keineswegs. Denn das Geständnis hat viele Fragen
offen gelassen. Wer gab dem Radprofi die Tabletten? War es nur ein Zufall, dass die Dopingfahnder ausgerechnet am Tag nach dem Discobesuch bei ihm auftauchten? Oder hat Ullrich schon öfters die aufmunternde Wirkung der Amphetamine gebraucht? Jan Ullrich hat gedopt. Das Urteil spricht das Sportgericht des Radsportverbands. An Ullrich liegt es zu zeigen, dass es ein einmaliger Ausrutscher war.'