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Pressestimmen von Montag, 8. Oktober 2007

Ursula Kissel7. Oktober 2007

SPD-Streit zur 'Agenda 2010'

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Der Vorstoß von SPD-Parteichef Kurt Beck, Älteren länger Arbeitslosengeld zu zahlen, hat zu einem Streit in der SPD-Führungsspitze geführt. Bundesarbeitsminister und Vize-Kanzler Franz Müntefering wertete den Vorschlag Becks als eine populistische Abkehr von der 'Agenda 2010' und bekräftigte seinen Widerstand. Beobachter sprechen inzwischen von einem offenen Machtkampf zwischen Müntefering und Beck. Auch die deutsche Tagespresse kommentiert den SPD-Streit.

Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN kritisieren:

'Beck fällt zurück in alte Sünden: Kaum steht das Land besser da, will er schon wieder Geld verteilen. Er könnte auf die Erfolge der rot-grünen Reformen verweisen und darauf, dass die große Koalition diesen Kurs fortsetzt. Stattdessen distanziert er sich von Schröders und Münteferings Kurs, den auch Steinbrück und Steinmeier prägten. Was sagen die beiden Partei-Vizechefs eigentlich zum Schwenk ihres in Panik geratenen Vorsitzenden? Und was sagt Angela Merkel zum Rumoren auch in der Union, das die Position ihres Vizekanzlers unterhöhlt? Den klaren Kurs, den Müntefering mit guten Argumenten beibehalten will, den lassen sie alle mangels Mut vermissen.'

Zustimmung zu Münteferings Position kommt auch von der MÄRKISCHEN ALLGEMEINEN aus Potsdam:

'Mit der Verteilungsgerechtigkeit ist das so eine Sache. Der Ur-Sozialdemokrat Franz Müntefering verteidigt die Agenda-Reform doch nicht, weil er den Leuten wegnehmen will, was ihnen zusteht. Er verteidigt die Reform, weil sie richtig ist. Gerecht ist, was Leute in Arbeit bringt und sie in Arbeit hält. Es ist ärgerlich, wie seine Mitstreiter im Kabinett, der Außen- und der Finanzminister, in Deckung bleiben. Und ebenso ärgerlich ist das Verhalten der Kanzlerin. In Sonntagsreden den reformerischen Mut des Vorgängers hervorzuheben, wenns aber darauf ankommt, sich wegzuducken, ist wenig eindrucksvoll. Nicht alles in der Politik ist taktische Verfügungsmasse. Man muss auch mal wie Müntefering zu seiner Sache stehen.'

Dagegen glaubt die BERLINER ZEITUNG:

'Mit seinen Interviews vom Wochenende bereitet Franz Müntefering seinen nächsten Abgang vor. Er wird damit seine Partei in die Opposition katapultieren: Die SPD bräuchte viel Disziplin, um sich nach seinem Abgang nicht komplett in Schuldzuweisungen und Stellungskämpfen zu verzetteln. Die Union könnte einen derart geschwächten Koalitionspartner mit guten Gründen als nicht mehr zurechnungsfähig erklären. (...) Die SPD müsse ihre Gestaltungsmöglichkeit behalten, hat Müntefering immer betont. Er trifft jetzt Vorbereitungen, sein Lebenswerk, das er jetzt vorgibt, retten zu wollen, erst recht zu zerstören. Kurt Beck hilft ihm dabei, mit aller Kraft.'

Die Karlsruher Tageszeitung BADISCHE NEUESTE NACHRICHTEN ist sich sicher:

'Wie zwei ungebremste Lokomotiven rasen der SPD-Vorsitzende Kurt Beck und sein Vor-Vorgänger im Amte, Vizekanzler Franz Müntefering, aufeinander zu. Weil kein Ausweichgleis mehr in Sicht ist, weil ein Kompromiss zwischen ihnen praktisch unmöglich ist, wird es spätestens auf dem Parteitag in drei Wochen in Hamburg zum großen Knall kommen.'

Auch das HANDELSBLATT aus Düsseldorf sieht die Regierungskompetenz der SPD in Gefahr:

'Mit atemberaubendem Tempo macht sich die SPD daran, ihre eigene Politik zu dementieren. Weder auf die Regierungsfähigkeit seiner Partei, noch auf Vizekanzler Franz Müntefering nimmt Parteichef Kurt Beck allzu viel Rücksicht bei dem Versuch, enttäuschte Wähler von der Linkspartei zurückzulocken. Dabei tut der Pfälzer so, als hätten sich die Probleme, die in der Vergangenheit zu schmerzlichen Reformen zwangen, durch einen flüchtigen Konjunktursommer in Luft aufgelöst.'