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Pressestimmen von Montag, 9. Februar 2004

Barbara Zwirner9. Februar 2004

Führungswechsel bei der SPD

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Herausragendes Thema der Kommentare in der deutschen Tagespresse ist weiterhin die Entscheidung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, den SPD-Parteivorsitz an Franz Müntefering abzugeben.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU schreibt:

"Schröders Rücktrittsdrohungen haben sich erledigt, halb durch Vollzug, halb durch übermäßigen Gebrauch. Was nun im Raum steht, ist die ausgesetzte Kabinettsumbildung, mit der Ansage: Wer nochmal aus der Reihe tanzt, fliegt. Ein kleiner Rest Stärke. Wirkungsvoller dürfte die sichtbar gewordene Schwäche sein: die unausgesprochene Drohung mit dem Scheitern des Ganzen. Mehr freilich ist dann auch nicht drin. Vor allem kein Kurswechsel in der Sozialpolitik. Wenn sie auf grundsätzlichen inhaltlichen Alternativen beharrt, wird hingegen der Franz nicht liefern können, was der Gerd schuldig geblieben ist, erstens aus Loyalität, zweitens, weil es ihm bislang nicht eingefallen ist."

In der FIMANCIAL TIMES DEUTSCHLAND heißt es:

"Der Rücktritt Gerhard Schröders vom SPD-Vorsitz ist eine Erleichterung für die Partei. Für Schröder selbst, vor allem aber für das Land ist die Flucht in die Doppelspitze in erster Linie ein Risiko. Es ist der letzte Versuch eines getriebenen Kanzlers, der Abwärtsspirale der vergangenen Monate zu entrinnen. Ein Versuch, der Schröder über die kommenden drei Jahre retten kann; der aber die Chance, dass der Reformkurs der Agenda 2010 bis zur Bundestagswahl ungebremst fortgeführt wird, deutlich verringert hat."

In der BERLINER ZEITUNG lesen wir:

"Mit Schröders Rückzug geht auseinander, was nie wirklich zusammengehörte. Aber kein Problem ist damit gelöst. Schröders formale Abkoppelung von der SPD vollzieht nur nach, was er seit Jahren materiell nach Kräften betrieb. Der so genannte Pragmatismus Schröders, sein dezidierter Verzicht auf Problembeschreibung und Zielvorgabe, den der Kanzler als Ausdruck ideologiefreier Entschlossenheit begriffen sehen möchte, erklärt nur die Sprunghaftigkeit seiner Regierung, aber eben keine einzige ihrer Reformen. Müntefering als neuer Vorsitzender ist der rechte Mann im falschen Augenblick. Klaus Uwe Benneter als neuer Generalsekretär aber ist zu jeder Zeit der falsche Mann."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER merkt an:

"Der SPD drohen Wahlschlappen in Serie. In dieser Lage soll Franz Müntefering, in dessen Hand Schröders Schicksal nun zu einem guten Teil liegt, den Unzufriedenen in seiner Partei genau die Politik vermitteln, mit der sein Vorgänger dort nicht durchdrang. Machbar? Ob Klaus Uwe Benneter ihm als Generalsekretär helfen kann, steht dahin. Die Wahl des Schröder-Mannes ist alles andere als zwingend. Neuanfang? Anfang vom Ende? Das Glas ist eher halb leer als halb voll."

Das Düsseldorfer HANDELSBLATT ergänzt:

"Franz Müntefering verliert keine Zeit: Gerade als neuer SPD-Vorsitzender nominiert, schwört er die Führung schon auf seine Sprachregelung ein. Brav wiederholen alle, die in der SPD etwas zu sagen haben: Die Reformpolitik geht weiter. Müntefering hat im vergangenen Jahr seine Lektion bitter gelernt und sich vom Verteidiger des Status quo zum Anwalt notwendiger Veränderungen gewandelt. Er wird jetzt nichts zurücknehmen - schon deshalb nicht, weil er sich damit selber schwächen würde."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München meint:

"Der 64-jährige Franz Müntefering wird ein Übergangsvorsitzender der SPD sein. Wie lange dieser Übergang dauern wird, hängt vom weiteren politischen Schicksal Gerhard Schröders ab. Nicht Schröder ist Münteferings Kanzler, sondern Müntefering ist Schröders Parteivorsitzender. Die beiden hängen buchstäblich aneinander: Bei allen Schwächen personifiziert Schröder die Regierungsfähigkeit der SPD; Müntefering versteht sich als Parteichef so, dass er dezidiert die Regierungspartei SPD führen will und soll."

Die Chemnitzer FREIE PRESSE resümiert:

"Trotz gegenteiliger Beteuerungen, in Berlin regiert weiter die Ungewissheit. Das Bundeskabinett gleicht längst einer Baustelle. Nicht nur deshalb wird es zu neuen Auseinandersetzungen kommen. Erste Stimmen in den eigenen Reihen, die eine erneute Kanzlerkandidatur Schröders für 2006 in Frage stellen, gibt es bereits. Die werden sich schnell mehren, wenn der so sehnlichst erhoffte wirtschaftliche Aufschwung nicht das halten wird, was sich einige Berufsoptimisten von ihm versprechen."