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Pressestimmen von Samstag, 08. Juli 2006

Annamaria Sigrist7. Juli 2006

Föderalismusreform / Fußballweltmeisterschaft in Deutschland

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Die deutsche Tagespresse befasst sich an diesem Samstag vor allem mit zwei Themen: Mit der Föderalismusreform und mit der guten Stimmung während der Fußballweltmeisterschaft. Zum ersten Thema: Die Föderalismusreform kann nun nach der Abstimmung im Bundesrat, wie geplant zu Beginn des kommenden Jahres in Kraft treten. Die Kommentatoren schätzen die Reform unterschiedlich ein.

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU bemerkt:

"Viele Bürger haben in der Vergangenheit weggehört, wenn von der Föderalismusreform die Rede war. Verständlich - ein Wortungetüm, bei dem hinter jeder Silbe Papier raschelt, regt nicht unbedingt zur Aufmerksamkeit an. Doch die staatliche Neuordnung, um die es dabei geht, hat es in sich, und schon in Kürze werden uns die Augen übergehen. Sogar der Ladenschluss, um den seit Bestehen der Republik gerungen wird - ein Dinosaurier lobbyistischen Parteienstreits -, ist plötzlich vom Aussterben bedroht. Einige Länder, mit dabei Nordrhein- Westfalen, schaffen ihn mehr oder weniger ab. Schön, dass sich doch noch etwas bewegt im Land der Ideen und der bockigen Ministerpräsidenten, die ihrer Kanzlerin manchmal das Leben erschweren."

Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER kommentiert:

"Der Bundesrat hat Ja gesagt: Die größte Staatsreform in der Geschichte der Republik kann in Kraft treten. Aber werden sich die damit verbundenen Hoffnungen erfüllen, wird sich die deutsche Politik grundlegend verändern? Leider lautet hier zu mindest die vorläufige Antwort Nein. Soll mehr Bewegung entstehen, so muss sich der Prozess politischer Entscheidungsfindung in vielerlei Hinsicht ändern - einmal Ja ist zu wenig. Gerade die letzte Woche hat gezeigt, dass sich die Demontage von Reform-Ideen nicht nur hinter den verschlossenen Türen des Vermittlungsausschusses vollziehen muss. Dafür taugt bestens auch die Runde der Parteichefs."

Dem GENERAL-ANZEIGER aus Bonn geht die Reform nicht weit genug:

"Ein zentraler Punkt der Reform fehlt leider noch, die Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Insofern ist die Reform nur eine halbe. Das aber ist immerhin auch schon ein großer Schritt nach vorn."

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock schreibt abschließend:

"Ist die 'Mutter aller Reformen' - wie sie oft genannt wird - nun die böse Schwiegermutter oder doch die nette Mama? Die politische Elite ist geteilter Meinung. Und die Bürger sind ratlos. Für sie ist die Reform ein unüberschaubares Rechtsmonstrum. Die Föderalismusreform stärkt vor allem die reichen Länder, allen voran Bayern und Baden-Württemberg. Diese werden einen Wettbewerb anheizen - ob in Bildung, Umweltrecht oder bei der Beamtenbesoldung - dem die neuen Bundesländer nicht gewachsen sein werden. Der Druck zu fusionieren wird wachsen. Die Reform - das ist absehbar - hat das langsame Ende des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern eingeläutet."

Zum nächsten Thema: Die Fußballweltmeisterschaft nähert sich allmählich ihrem Ende. Schon jetzt werden erste Bilanzen gezogen. Dabei wird die durchweg gute Stimmung in Deutschland während der WM als außerordentlich positiv bewertet.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München meint:

"Die Deutschen wurden als gute Gastgeber empfunden - nicht nur weil sie, wie erwartet, alles effizient organisierten, sondern weil sie freundlich waren, weil sie auf den Straßen lachten und manchmal sogar so taten als fließe nicht laues Wasser, sondern mediterran warmes Blut durch ihre Adern. Die Botschaft dieser WM, gebeamt in alle Welt, lautete eben nicht: Wir sind wieder wer!, sondern vielmehr: Wir sind wie ihr!"

Auch die PFORZHEIMER ZEITUNG schließt sich der allgemeinen Begeisterung an:

"Vor allem junge Menschen waren es, die mit ihrem unbefangenen, patriotischen Bekenntnis zu Deutschland die ältere Generation mitgerissen haben - auch diejenigen, die sich bis dahin nicht für Fußball interessiert hatten. Einen wirkungsvolleren Katalysator für einen nachhaltigen Aufschwung - der ja auch immer etwas mit Psychologie zu tun hat - hätte die Bundesregierung sich nicht wünschen können."

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth ergänzt:

"Auf dem Rasen hat sich die deutsche Elf während der WM mit Riesenschritten vorwärts entwickelt. Die Nation hat parallel dazu viele Fesseln der Vergangenheit abgestreift. Allein dafür hat sich diese WM mehr als gelohnt. Wer hätte ein paar Wochen vor dem Eröffnungsspiel ernsthaft daran geglaubt, dass Deutschland im weiteren Verlauf Argentinien aus dem Turnier schießt? Wer hätte zu hoffen gewagt, dass Millionen Deutschland-Fahnen die Rückkehr zu einem gesunden Nationalbewusstsein signalisieren? Dies zum Anlass zu nehmen, sogleich die Gefahr eines neuen Nationalismus heraufzubeschwören, ist sicher übertrieben. Typisch deutsch vielleicht?"

Abschließend schreiben die STUTTGARTER NACHRICHTEN:

"Ja, ja, ja! Das waren wir. Jene Deutschen, die ansonsten ohne präzisen Plan umgehend den Ausbruch der Anarchie fürchten. Die ohne Vollkaskoversicherung kein Unkraut jäten. Die ihre Zukunft am liebsten pechschwarz malen um dann mit Erleichterung zu registrieren, dass es ganz so düster dann doch nicht gekommen ist. Wir, die wir Großraumbüros und Teamarbeit nicht sonderlich schätzen, weil wir uns so schnell bedrängt fühlen, wenn uns niemand ein festes Plätzchen im Leben garantiert. Als hätten Glückshormone unsere deutschen Seelen geflutet, stürzten wir uns, von allen Fesseln und diffusen Ängsten befreit, in das emotional anrührendste Massenfest seit der Wiedervereinigung. Was das Schönste daran war: Die ganze Welt war mit zu Gast. Ein Wert, der in keiner Währung zu bemessen ist."