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Pressestimmen von Samstag, 08. Mai 2004

zusammengestellt von Frank Gerstenberg7. Mai 2004

Schwere Zeiten für die Bundesregierung / Rumsfeld entschuldigt sich für US-Armee

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Die Politik der Bundesregierung steht nach einer Woche offenkundigen Hauens und Stechens im Zentrum der Kommentare in den deutschen Tageszeitungen. Außerdem widmen sich die Leitartikler den Folter-Vorwürfen gegen die US-Armee im Irak.

Der MANNHEIMER MORGEN resümiert die Regierungspolitik von Rot-Grün:

"Am Ende einer Woche beispielloser Desorientierung hat die Bundesregierung zwar einen Eklat im Streit um die Zuwanderung vermieden und ihre umstrittene Ausbildungsumlage durch den Bundestag gepaukt. Doch wenn das physikalische Gesetz, nach dem Reibung Wärme erzeugt, auch für die Politik gilt, dann heißt das: In der Koalition und den sie tragenden Parteien brennt es lichterloh. Nur ein Jahr, nachdem Gerhard Schröder die Politik der ruhigen Hand endgültig für beendet erklärt hat und mit seiner Agenda 2010 das Ruder hatte herumwerfen wollen, steht der Kanzler wieder ganz am Anfang: Die Probleme, die er schon zu lösen glaubte, drohen seinem Kabinett über den Kopf zu wachsen. Vor allem die finanziellen."

Die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld bringt ihren Unmut über das Kabinett Schröder wie folgt auf den Punkt:

"Die rot-grüne Regierung gleicht einem als Marathonläufer gestarteten Sportler, der nach der Hälfte der Strecke erschöpft anhält und überlegt, ob er weiterlaufen will. Die Reformen der Agenda 2010 waren ein erster Schritt. Ihre Kraft entfaltet sich nur langsam. Reformieren ist ein permanenter Prozess. Dieser Satz stammt von Schröder und trifft den Kern. Der Ärger mit der rot-grünen Regierung besteht aber darin, dass sie in jeder neuen Krisensituation ihr bisheriges Tun wieder in Frage stellt."

Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle sieht es so:

"Chaos in Kabinett und Koalition. Jeder spricht für sich und hat anschließend nichts gesagt. Doch es mangelt Bundeskanzler Gerhard Schröder wohl nicht nur an Autorität, die mitteilungsfreudigen Kabinettsmitglieder auf Linie zu bringen. Es fehlt vor allem an einer zündenden Idee, die ökonomischen Probleme zu meistern. Der Aufschwung, so er denn kommt, wird kaum die Staatskassen füllen und schon gar nicht die Arbeitslosen von der Straße holen. Das ist die bittere Wahrheit! Wenn Rot-Grün nicht völlig unglaubwürdig werden will, muss der Reformkurs der 'Agenda 2010' beibehalten werden. Mit zahlreichen Wahlen vor der Brust fällt das immer schwerer."

Themenwechsel: US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat sich für seine Armee entschuldigt. Dazu die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Wer die Missachtung oder Bagatellisierung des Völkerrechts zum Regierungsprogramm erhebt, der ersetzt die historische Errungenschaft der Genfer Konventionen durch die ideologische Willkür selbst ernannter Regimewechsler. Die Folterer von Abu Ghraib jedenfalls haben dies so verstanden. Ihre Glaubwürdigkeit können die USA nur zurückgewinnen, wenn alle Verantwortlichen gehen müssen: die Soldatin Lynndie England, Verteidigungsminister Rumsfeld und Präsident George W. Bush."

Derselben Meinung ist auch die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock:

"Der Chef-Trickser des Pentagons hat ausgespielt. Sein letzter Coup dürfte die zum Poster vergrößerte 11-Zeilen-Erklärung des US-Hauptquartiers vom 16. Januar gewesen sein, die Donald Rumsfeld im Kongress präsentierte. Sie enthielt die Information aus Bagdad, dass Ermittlungen zu den Fällen von Häftlingsmissbrauch eingeleitet wurden. Seitdem herrschte Ruhe zum gräulichen Thema an der Informationsfront - bis CBS die Folterbilder brachte. Von monatelanger Geheimniskrämerei will Rumsfeld aber trotzdem nichts wissen, obwohl er selbst den Präsidenten über die Verbrechen seiner Soldaten im Dunkeln gelassen haben soll. Rumsfeld hat Aktien daran, dass nun auch die Irak-Politik von George W. Bush laut aktueller Umfrage bei 51 Prozent der US-Bürger auf Ablehnung stößt."

Zur generellen Lage im Irak schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München:

"Selbst Freunde der USA in der Region wie der jordanische König Abdullah II. äußern sich gegenüber Vertrauten kritisch und pessimistisch über die Chancen einer Lösung im Irak. Alle Nachbarn befürchten Metastasen des Geschwürs in ihrem eigenen politischen Organismus. Vom amerikanischen Projekt der Stabilisierung des Größeren Nahen Ostens spricht niemand mehr. Und keiner setzt allzu viel Hoffnungen auf die Überleitung der Souveränität von der Besatzung auf ein handverlesenes irakisches Regime in zwei Monaten. Es wird auch danach nicht ohne die Amerikaner gehen und nicht mit ihnen, wie schon jetzt. Beschränkte Souveränität, wie sie den künftigen Herren in Bagdad zugedacht ist, kann es als stabilen Zustand so wenig geben wie ein bisschen Schwangerschaft."