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Pressestimmen von Samstag, 10. März 2007

Christoph Schmidt9. März 2007

EU beschließt Klimaziele / Rente mit 67

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Beim Brüsseler EU-Gipfel haben sich die europäischen Staats- und Regierungschefs auf feste Ziele für die Klimapolitik geeinigt: Bis 2020 soll der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtverbrauch auf 20 Prozent steigen und der CO2-Ausstoß um ein Fünftel reduziert werden. Ein weiteres Thema dieser Presseschau ist die vom Bundestag beschlossene Rente mit 67.

Zu den Klimabeschlüssen der EU meint die KÖLNISCHE RUNDSCHAU:

"Mit dem ehrgeizigen Aktionsplan übernimmt Europa weltweit die Vorreiterrolle beim Kampf gegen den Klimawandel. Es ist nur der erste Schritt zur Rettung des Patienten Erde. Neuer Streit ist programmmiert, wenn die EU-Kommission Vorschläge zur nationalen Lastenverteilung unterbreitet. Dabei sind Ökologie und Ökonomie längst kein Gegensatz mehr. An innovativen Unternehmen besteht kein Mangel, und der Markt für umweltfreundliche, energieeffiziente Produkte ist riesig."

Die Zeitung NEUES DEUTSCHLAND aus Berlin sieht die neuen Ziele skeptischer:

"Beim näheren Hinsehen erweist sich der Durchbruch gerademal als Bestätigung eines Teils der windelweichen Vorgaben, die die Kommission vor Wochen vorgestellt hatte. Vom festen Anteil erneuerbarer Energiequellen bleiben nur »differenzierte nationale Gesamtziele«, hinter denen sich die atomaren Vorlieben verbergen. Die atomare Option mag eine Zeitlang von Öl und Erdgas unabhängig machen, doch für die CO2-Reduktion der nächsten zwölf Jahre bringt sie praktisch nichts. Doch leider versagen ja schon bei Tempolimit und Verbrauchsobergrenzen die naturwissenschaftlichen Einsichten der Physikerin und Ratsvorsitzenden Merkel."

In der SÜDWEST PRESSE aus Ulm schneidet die Kanzlerin besser ab:

"Dieser Erfolg trägt den Namen Angela Merkel. Die Kanzlerin, die sich mit ihrer Nachgiebigkeit gegenüber der Auto-Lobby noch berechtigter Kritik ausgesetzt sah, hat offenbar ihre Kräfte darauf konzentriert, die EU mit ihren Gipfelbeschlüssen in Sachen Klimaschutz nach vorn zu bringen. Ohne am Tabu der Franzosen in Sachen Kernkraft zu rütteln, hat sie es vermieden, dass diese Dinosauriertechnik auf die erneuerbaren Energien angerechnet wird. Sie hat die störrischen Polen ins Boot geholt und sogar den skeptischen Tony Blair für sich eingenommen. So sehen Sieger aus."

Die EßLINGER ZEITUNG betont die globale Dimension der Klimapolitik:

"Ausreichen werden die Klimaschutzziele noch nicht, aber ein Anfang ist gemacht. Entscheidend wird nun sein, ob es gelingt, die derzeit größten Schadstoffemittenten USA und China mit ins Boot zu holen und andere große Schwellenländer wie Brasilien oder Indien bei der Entwicklung von Alternativenergien zu unterstützen. Sonst bleiben die hehren europäischen Pläne nur ein Tropfen auf einem immer wärmer werdenden Planeten."


Themenwechsel: Mit großer Mehrheit hat der Bundestag beschlossen, das Rentenalter schrittweise auf 67 Jahre anzuheben. Damit müssen Arbeitnehmer ab 2012 für den vollen Rentenanspruch zwei Jahre länger arbeiten. Die Meinungen hierzu bleiben kontrovers, wie ein Blick in die Pressekommentare zeigt.

Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg urteilt:

"Die Mathematik lässt sich auf Dauer nicht betrügen. Der Gesellschaft wurde mit dem Beschluss die Rechnung für ein bis zwei Generationen extremer Kinderarmut ausgestellt. Das ist bitter. Aber Müntefering hat Recht: Noch sträflicher wäre es, nichts zu tun und die Systeme vollends kollabieren, oder die Beiträge explodieren zu lassen. Ungerecht an der Rente mit 67 ist bestenfalls dies: Bezahlen müssen aufgrund des Umlageverfahrens nicht sosehr die demographischen Egoisten, sondern vor allem die ohnehin dezimierten Nachkommen dieser Generation."

Die PFORZHEIMER ZEITUNG kommt zu dem Schluss:

"Insgesamt wird das Rentensystem damit nicht zukunftssicher. Das notwendige Geld dafür wird immer nur von denen aufgebracht werden, die es haben sei es als Beitrags- oder als Steuerzahler. Und die Zahl der Stellschrauben, mit denen Einnahmen und Ausgaben der Rentenversicherung gesteuert werden können, ist überschaubar. Anderes, wie etwa die demografische Entwicklung, kann kaum oder gar nicht beeinflusst werden. Die Rente mit 67 ist also nur ein schmerzhafter Zwischenschritt. Sie wird nicht der letzte bleiben."

Die Zeitung MANNHEIMER MORGEN schreibt:

"Die Politik leistet ihren Beitrag, die drohende Rentenkrise abzuwenden und die Beiträge auf Dauer stabil zu halten. Viel wichtiger ist allerdings ein radikaler Bewusstseinswandel. Über 50-Jährige gehören nicht zum alten Eisen, sondern sind best agers, mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung stellen sie eine Bereicherung, keine Belastung dar. Paradox: Die gleiche Wirtschaft, die noch immer massenhaft Ältere entlässt, ruft schon nach einer erleichterten Zuwanderung für gut ausgebildete Facharbeiter. Welch ein Hohn!"

Für den Kölner EXPRESS hat der Bundestag eine Mogelpackung verabschiedet:

"Die Rente mit 67 ist ein Unding, wenn man bedenkt, dass sich die meisten Arbeitnehmer heute schon lange vor dem 65. Lebensjahr in den Ruhestand verabschieden. Was soll das Ganze also? Die Rechnung ist einfach: Wer länger arbeiten muss, bekommt später Rente. Und wer früher tschüs sagt, muss sich mit erheblich weniger Geld bescheiden. Die neue Rente wird der Arbeitsrealität in keiner Weise gerecht. Kein Wunder: Denn ausgedacht haben sich den Murks Politiker, die sich um ihre komfortable Pension keine Sorgen machen müssen. Die Deppen sind die Beitragszahler."