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Pressestimmen von Samstag, 11. Dezember 2004

Annamaria Sigrist 10. Dezember 2004

Schröders Außenpolitik/Nato-Kritik/Wort des Jahres

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Die Kommentare der deutschen Tageszeitungen befassen sich an diesem Samstag unter anderem mit der Außenpolitik von Bundeskanzler Gerhard Schröder und den neuen Misstönen zwischen Deutschland und den USA. Beachtet wird auch das Wort des Jahres: Hartz IV.

Zur Forderung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, Deutschland müsse einen Sitz im UN-Sicherheitsrat mit Vetorecht bekommen, schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München:

"Deutschland wird vielleicht einen Sitz, aber keinesfalls ein Vetorecht bekommen. Auch Schröder weiß das. Der Ministerpräsident Schröder aber hat gelernt, dass man von den Ländern im Bundesrat Unmögliches verlangen muss, um sich hinterher mit geringerem Gesichtsverlust auf das Machbare zu einigen. Im Sicherheitsrat kann es unserem höchsten außenpolitischen Spieler passieren, dass er gar nicht erst reinkommt, weil dort die Forderung nach dem Unmöglichen nicht als Schröders Taktik, sondern als deutsche Hybris verstanden wird."

Die EßLINGER ZEITUNG kritisiert, dass Schröder bei seinem China-Besuch das Thema Menschenrechte auslies:

"Bei seiner jüngsten China-Reise hat Bundeskanzler Gerhard Schröder Menschenrechte gegen dicke Aufträge für die deutsche Wirtschaft und das chinesische Ja zum ständigen Sitz im UN- Sicherheitsrat verkauft. Schon vor wenigen Monaten war ihm ein ungetrübtes Verhältnis zu Russlands Präsident Putin wichtiger als Kritik an dessen menschenverachtender Tschetschenien-Politik. Das darf nicht sein. Denn die Würde des Menschen ist unantastbar auch wenn es um Geld und Macht geht."

Die NORDSEE-ZEITUNG aus Bremerhaven beschäftigt sich mit dem Streit zwischen Deutschland und den USA über die Nato-Ausbildungsmission im Irak:

"Es knallt einmal wieder im deutsch-amerikanischen Verhältnis. Bundesverteidigungsminister Peter Struck fühlt sich von Colin Powell provoziert: Der US-Außenminister äußerte sich kritisch zum Irak- Engagement Deutschlands. Dabei hat er offensichtlich übersehen, dass die Bundeswehr bereits irakische Soldaten ausbildet - wenn auch nicht im Irak, sondern in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Struck ist deshalb so erzürnt, weil Deutschland im Gegensatz zu den meisten Nato-Partnern bereits konkrete Hilfe leistet. Statt dieses zu würdigen, stellt Powell die Bundesregierung wieder in die Ecke der reinen Verweigerer - also der Länder, die nicht direkt im Irak mit Soldaten tätig werden wollen."

Zum nächsten Thema: Das Wort des Jahres heißt Hartz IV. Dazu meint die TZ aus München:

"Ausgesucht nicht von Politikern. Auch nicht von Sozialarbeitern und schon gar nicht von Arbeitslosen - sondern von Sprachwissenschaftlern, und die mögen aus ihrer Sicht ja ganz Recht haben. Aus einem schlichten Eigennamen wurde ein Begriff, der wie kaum ein anderer die Nation bewegt hat, der Massen auf die Straße trieb und zum Inbegriff wurde für die neue soziale Kälte im Land. Für viele Menschen ist 'Hartz IV' aber mit sehr konkreter, meist bitterer Inhaltlichkeit gefüllt: Weniger Geld im ohnehin schmalen Portemonnaie, weniger Teilnahme an den Freuden des Alltags, weniger Hoffnung."

Die Zeitung NEUES DEUTSCHLAND aus Berlin fügt hinzu:

"Hartz IV ist also in diesem Jahr Wort des Jahres. Gefolgt von Parallelgesellschaften, Pisa-gebeutelte-Nation, Gefühlte Armut, Ekelfernsehen, Praxisgebühr, Ein-Euro-Job. Jedes dieser Wörter würde man am liebsten abschütteln, aber selbst, wenn das gelänge, bleibt das, was sie ausdrücken. Trotzdem kann man der Wiesbadener Sprachgesellschaft dankbar sein für ihre jährliche Leistung. Wenigstens einen Tag im Jahr denken wir über Worte nach, die im vergangenen Jahr unser Leben maßgeblich beeinflusst haben, obwohl wir das, wofür sie stehen, oft nicht mögen.

Abschließend meint die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock:

"Existenzangst in Deutschland hat seit dem Sommer 2004 einen Namen: Hartz IV. Der tiefste soziale Einschnitt in der Geschichte der Bundesrepublik hat die Menschen aufgewühlt und auf die Straße getrieben wie keine andere Sozialreform zuvor. Hartz IV ist nicht nur ein kalter, technokratischer Begriff - für viele bedeutet er erhebliche Einbußen, für wenige Hoffnung. Angesichts wachsender Ängste fragt man sich, warum die auf den Namen des Reforminitiators Peter Hartz zurückgehende Kurzform des 'Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt' nicht Unwort des Jahres wurde? Das bleibt wohl für immer ein Geheimnis."