1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Samstag, 11. Februar 2006

Zusammengestellt von Siegfried Scheithauer10. Februar 2006

Die Parlamentsdebatte in Berlin über die Eskalation um Mohammed- Karikaturen sowie das radikale Sanierungsprogramm beim VW-Konzern sind die herausragenden Themen der deutschen Presse-Kommentare

https://p.dw.com/p/7yAT

Der Deutsche Bundestag hat über die gewaltsamen Proteste gegen Mohammed-Karikaturen in der europäischen Presse diskutiert und für einen Dialog mit dem Islam geworben. Radikalen Islamisten wurde vorgeworfen, die Empörung der Gläubigen zu Angriffen auf den Westen zu missbrauchen.

Die PFORZHEIMER ZEITUNG empfiehlt folgenden Kurs:

"Der Westen wäre gut beraten, die Situation zu deeskalieren, anstatt sich auf einen gefährlichen Krieg der Kulturen einzulassen. Das Pochen auf die Meinungsfreiheit ist richtig, führt für sich allein aber zu nichts. (...) Allmählich müsste sich die Einsicht durchsetzen, dass ein neues, partnerschaftliches Prinzip der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit zwischen dem Westen und den islamischen Staaten langfristig die bessere Investition in Frieden und Freiheit ist, anstatt mit höheren Zäunen und Anti- Terroreinheiten den eigenen Status quo zu sichern."

Die Zeitung DIE WELT sieht den Westen schon in der Defensive:

"Seit zwei Wochen wütet der ferngesteuerte, von Islamisten

inszenierte Karikaturenstreit. (...) Linksgrüne Politiker, die

sonst kein Problem damit haben, wenn ein amerikanischer Künstler ein Kruzifix in Urin einlegt oder die Jungfrau Maria mit Elefanten- dung bekleistert wird, entdecken eine neue Leitkultur des Respekts vor religiösen Minderheiten. Die EU maßregelte nach Jörg Haiders Wahlerfolgen Österreich, doch sie tat nichts, um den drangsalierten Dänen zu helfen, die sich im Namen einer angeblich friedfertigen Religion von Boykotten, Sachbeschädigung und Mord bedroht sehen. Abermals hat der politische Islam in Europa einen Sieg erzielt."

Die NEUE RUHR/NEUE RHEINZEITUNG beleuchtet die Seelenlage der moslemischen Welt:

"Gerade jene Regime, die elementare Bürgerrechte verweigern und im eigenen Land die Opposition radikaler Muslime bekämpfen, mobilisieren die Straße. Sie empören sich über den Bilderstreit, um von den eigenen Problemen abzulenken. Auf den Straßen von Damaskus, Beirut oder Jakarta geht es jedoch um mehr: Es ist das Trauma der islamischen Welt, die einer Überlegenheit nachtrauert, die sie in der globalen Welt verloren hat. Die sich vom Westen verkannt, verachtet und verspottet fühlt."

Bei der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG gibt man sich selbst einmal theologisch:

"Dies sollten die Beteiligten im Karikaturenstreit, ob Muslime oder Christen, jeden Tag einmal vor sich hinsagen, nicht ohne dabei zu erschrecken: Jede Offenbarungsreligion hat eine immanente Tendenz zum Fundamentalismus - und auch zur Gewalt. (...) Religion kann Menschen zu höchster Liebe oder zu tiefstem Hass bringen, sie kann Märtyrer aus ihnen machen oder Mörder. Sie hat eine helle Seite und eine dunkle, todbringende. Und manchmal braucht es nur einen Wimpernschlag, von der einen auf die andere zu wechseln."

Themenwechsel: Die VW-Konzernführung hat für die nächsten drei Jahre ein tiefgreifendes Sanierungsprogramm angekündigt, bei dem bis zu 20.000 Arbeitsplätze auf den Prüfstand kommen. Die Arbeitskosten sollen gesenkt und die Produktivität gesteigert werden.

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN haben es s o gesehen:

"So notwendig die Schritte auch sind: die Arbeitnehmer bügeln heute Versäumnisse der Vergangenheit aus. Die starke Stellung der Arbeitnehmerseite behinderte bei VW lange die Anpassung der Kosten; und die teuren Ausflüge von Ferdinand Piëch in die Oberklasse verschlangen Geld, das VW besser in sein Kerngeschäft investiert hätte. Auch Daimler hat viel Geld bei Mitsubishi verloren, das dann bei Mercedes fehlte. Doch für VW wie für Daimler gilt: So berechtigt Klagen über Versäumnisse auch sein mögen, sie können kein Alibi sein, die Lösung der Probleme weiter zu verschieben."

Der WESTFÄLISCHE ANZEIGER aus Hamm analysiert:

"Rund 20.000 Mitarbeiter hat Volkswagen nach der Einschätzung des Vorstands zu viel an Bord. Der Konzern muss seine Produktion verschlanken und parallel seine Produkte erneuern. Und: Nicht jeder Autositz, nicht jede Achse muss in einem VW-Werk entstehen, um aus einem Golf einen Volkswagen zu machen. Für die Beschäftigung hierzulande muss das nicht zwangsläufig Abwanderung ins Ausland heißen. Dass Mercedes die Masse seiner Leichtmetallmotoren nicht mehr selbst gießt, sondern das Spezialisten wie Honsel überlässt, ist simple und effiziente Arbeitsteilung."

Auch die SÜDWEST-PRESSE aus Ulm stellt Vergleiche zwischen den Branchenriesen an und schreibt:

"Vorbild ist wohl Porsche. Die Stuttgarter Sportwagen-Bauer fertigen nur jede fünfte Komponente selbst. Porsche ist VW-Großaktionär und Chef Wendelin Wiedeking hat im VW-Aufsichtsrat Platz genommen. Das Vorhaben trägt aber auch die Handschrift des VW-Markenchefs Wolfgang Bernhard, der als Kostenkiller angetreten ist und wieder preiswerte Autos sehen will, die die breite Bevölkerungsschicht kaufen kann.(...) Das Herumreißen des Steuers wird für viele Mitarbeiter ein Crash ohne Airbag werden."

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth schätzt die Lage ähnlich ein:

"Wenn Aktienkurse in die Höhe schnellen, kann es für Belegschaften gefährlich werden. Die Phantasie der Anleger hat Volkswagen mit einem Sparprogramm belebt, das bis zu 20.000 Stellen kosten könnte. Während Premium-Tochter Audi Jahr für Jahr einen kräftigen Gewinn abliefert, schaffen es die Wolfsburger Autobauer nur 'knapp' über die Null-Linie. Dies liegt auch daran, dass im ganz normalen Mittelklasse-Geschäft gewaltige Überkapazitäten im Markt sind. Das drückt auf die Preise und zwingt zu radikalen Kostenschnitten, will man als Autobauer nicht aus der Kurve fliegen."