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Pressestimmen von Samstag, 11. Oktober 2003

Arian Fariborz10. Oktober 2003

Friedensnobelpreis / Bildungsbericht der Kulturministerkonferenz

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Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen befassen sich an diesem Samstag vor allem mit dem diesjährigen Friedensnobelpreis für die iranische Anwältin und Bürgerrechtlerin Schirin Ebadi sowie mit dem Beschluss des Bildungsberichtes der Kultusministerkonferenz.

Über die Auszeichnung Ebadis mit dem Friedensnobelpreis schreibt die Tageszeitung DIE WELT:

"Schirin wer? Warum nicht der Papst, Václav Havel oder der Brasilianer Lula? Nachdem sich die Überraschung, sogar Empörung über die Entscheidung des Osloer Nobel-Komitees gelegt hatte, offenbarte sich die Klugheit der Juroren. Nein, sie hatten eben nicht wohlfeil jene in den moralischen Adelsstand erhoben, die dort ohnehin bereits verortet sind. Sie haben mit ihrer eigenwilligen Wahl Schirin Ebadis zugleich deren Idee eines modernen Islam Mut gemacht und zu internationaler Beachtung verholfen. Ebadi steht stellvertretend für jene Bewegung, die im Schatten des Mullah-Regimes den ebenso ehrenwerten wie bisher aussichtslosen Kampf um die Rechte und die ürde des Menschen führt."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG sieht in der Auszeichnung auch eine Signalwirkung an die politische Führung in Tehran:

"Nicht eine unkontroverse Figur wurde ausgesucht, über deren Ehrung, wie so oft, alle auf Erden mit beifälligen Geräuschen hinweggehen könnten. Vielmehr bedeutet die Wahl eine klare Parteinahme in einer Auseinandersetzung, die den Alltag von Millionen betrifft: für Menschlichkeit gegen Gewalt, für Freiheit gegen Unterdrückung, für Reform gegen Stagnation. Nicht nur Iran ist gemeint, aber vor allem Iran. Das Regime wird die Ehrung einer bekannten Kritikerin als weiteren Stein empfinden, den der liberale Feind aus dem Westen in seinen persisch-islamischen Garten wirft. In der Tat sähen die USA die Mauern von Boykott und Isolierung um die islamische Republik gern höher, noch lieber hätten sie einen Machtwechsel."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kommt zu dem Schluss:

"Das Komitee hat durchaus mit Bedacht gewählt. Die Auszeichnung bedeutet für Frau Ebadi, die schon mehrfach im Gefängnis saß, einen gewissen Schutz. Dies wird häufig gerade bei der Verleihung des Friedensnobelpreises berücksichtigt. So wird die Geehrte bei ihrem Einsatz für Demokratie und Menschenrechte, insbesondere für die Rechte der Frauen und Kinder, künftig wohl etwas mehr Bewegungsfreiheit genießen. Schon bisher hat sie sich als unerschrockene Anwältin jener betätigt, die unter dem teilweise rigiden Regime der Mullahs diskriminiert und verfolgt werden."

Themawechsel: Der Bildungsbericht stellt deutschen Schulen ein miserables Zeugnis aus. Kritisch bemerkt hierzu die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG:

"Der Bildungsbericht ist nach Pisa-Test und OECD-Studien eine erneute Ohrfeige für alle Schulpolitiker. Es bleibt die Frage, wie viel solcher 'Watschen' die Kultusministerkonferenz noch braucht. Eine Konsequenz aus der mehrfach attestierten Misere könnte sein, dass die Landesbildungs-Fürsten sich zunächst an den besten Bundesländern orientieren und dann einheitlich ihren Standard heben."

Und in der FRANKFURTER RUNDSCHAU lesen wir:

"Die Wissenschaftler warnen davor, dass das Prinzip bundesweit gleichwertiger Lebensverhältnisse in der Bildung kippt, dass sich die ärmeren Bundesländer bald noch weniger Investitionen in Schulen leisten können. Und so weiter. 'Eine Vergeudung menschlicher Potenziale kann sich unsere Gesellschaft in Zukunft nicht mehr leisten', schreiben sie. Die Kultusminister aber zeigen sich erleichtert:'Keine neue Hiobsbotschaften'. Das Kompendium arbeite nur bekannte Studien und Daten knackig auf."

Abschließend kommentiert die Berliner TAGESZEITUNG (TAZ) den Bildungsbericht:

"Leere Köpfe dagegen machen sich nicht so schnell bemerkbar, und sie sind mit Geld allein auch nicht zu füllen. Mehr Geld vom Bund: Das ist der einzige Wunsch, auf den sich die 16 schulpolitischen Schrebergärtner verständigen können. Man sollte ihn tunlichst nicht erfüllen. Solange der Wille zu einer wahren Kulturrevolution im deutschen Bildungswesen nicht vorhanden ist, solange Lehrer ihren Beruf als Halbtags-Job begreifen und die fällige Professionalisierung verweigern, wäre jeder zusätzliche Euro verschenkt."